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In den Armen des Meeres

In den Armen des Meeres

Titel: In den Armen des Meeres
Autoren: Brenda Joyce
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Prolog
    Adare, Irland
    Sommer 1824
    Aus dem offiziellen Speisezimmer, in dem der Earl of Adare ein festliches Abendessen zu Ehren des Geburtstags seiner Gemahlin gab, waren lebhafte Gespräche zu hören. Die Kinder hatten sich in einem kleineren Salon versammelt, dem Speiseraum gegenüber, und die elfjährige Elysse O'Neill saß auf dem mit Goldbrokat bezogenen Kanapee in ihrem festlichsten Kleid und wünschte sich, ihr wäre es erlaubt worden, bei den Erwachsenen zu sein. Ariella de Warenne, ihre beste Freundin, war ebenso elegant gekleidet und saß neben ihr, ganz in ein Buch vertieft. Elysse konnte die Freundin nicht verstehen. Sie selbst hasste es, zu lesen. Ohne die anwesenden Jungen hätte sie sich gelangweilt.
    Die Jungen standen auf der anderen Seite des Salons und flüsterten aufgeregt miteinander. Elysse sah zu ihnen hinüber und versuchte zu lauschen, weil sie spürte, dass sie irgendetwas ausheckten. Ihr Blick war ganz auf Alexi de Warenne konzentriert. Ariellas Bruder war stets der Anführer.
    Vor vier Jahren hatte sie ihn kennengelernt, als er, zusammen mit seinem Vater und mit Ariella, zum ersten Mal nach London kam. Er war auf Jamaika aufgewachsen. Nachdem sie einander vorgestellt worden waren, behandelte sie ihn zunächst sehr von oben herab, obwohl er sie mit seinem dunklen Haar, der sonnengebräunten Haut und der selbstsicheren Art sofort faszinierte. Doch trotz seiner adeligen russischen Mutter war er ein Bastard – und sie eine Lady. Daher nahm sie sich vor, ihn das spüren zu lassen. Aber ihre abweisende Haltung beeindruckte ihn nicht, stattdessen verblüffte er sie mit Geschichten aus seinem Leben. Elysse erwartete, dass er sich linkisch und unbeholfen benehmen würde, doch Alexi tat nichts dergleichen. Rasch erkannte sie, dass sie noch nie einen Jungen getroffen hatte, der so viel erlebt hatte wie er. Er hatte mit seinem Vater die ganze Welt umsegelt, hatte Wirbelstürme und tropische Regengüsse überstanden, Blockaden und Piratenüberfälle, und dabei hatten sie noch die kostbarste Ladung der Welt befördert. Er war mit Delfinen geschwommen, hatte die Berge im Himalaya erstiegen und war durch den brasilianischen Urwald gewandert. Er war sogar auf einem Floß in China gefahren, ohne seinen Vater! Tatsächlich hatte er damit geprahlt, dass er alles segeln könnte, überall – und sie hatte ihm geglaubt. Innerhalb einer Stunde hatte sie entschieden, dass er der interessanteste Junge war, den sie je getroffen hatte – nicht, dass sie ihm das jemals sagen würde!
    Jetzt kannte sie ihn gut. Alexi war ein Abenteurer, so wie sein Vater, der Kapitän, und er hielt es nicht lange an Land aus, ebenso wenig, wie er still zu sitzen vermochte! Was hatten die Jungen jetzt vor? Sie liefen durch den Salon, und sie begriff, dass sie hinausgehen wollten. Schon standen sie an der Terrassentür.
    Elysse schob sich das goldblonde Haar hinter die Ohren, strich ihr blaues Satinkleid glatt und stand auf. »Wartet!«, rief sie. Sie lief den Jungen nach. »Wohin geht ihr?«
    Alexi grinste sie an. »Errol Castle.«
    Beinahe wäre ihr Herz stehen geblieben. Jeder wusste, dass es in den Ruinen des Schlosses spukte. »Seid ihr verrückt?«
    In seinen blauen Augen funkelte es. »Willst du nicht mitkommen, Elysse? Willst du nicht das alte Gespenst sehen, das bei Vollmond im Nordturm umgeht?« Alexi beugte sich zu ihr hinüber. »Es heißt, er verzehrt sich nach der Frau, die er liebt. Ich weiß, dass du romantische Geschichten magst. Sie hat ihn in einer Vollmondnacht verlassen – für einen anderen Mann. Deswegen hat er sich umgebracht, und sein Geist wandelt seitdem immer bei Vollmond im Turm umher.«
    »Natürlich kenne ich die Geschichte.« Ihr Herz schlug schneller, vor Aufregung und Angst. Sie war nicht so tapfer wie Alexi oder ihr jüngerer Bruder Jack oder auch Ned, der Erbe des Earls, der bei ihnen stand. Sie verspürte keineswegs den Wunsch, in die Nacht hinauszulaufen, um ein Gespenst zu treffen.
    »Feigling«, sagte Alexi leise und berührte ihr Kinn. »Du weißt doch, dass ich dich beschütze.«
    Sie zuckte zurück. »Und wie willst du das machen? Du bist nur ein Junge – und noch dazu ein verrückter Junge!«
    Sein Lächeln verschwand. »Wenn ich sage, dass ich dich beschütze, dann werde ich das auch tun.«
    Sie glaubte ihm, dass er das tun würde. Selbst gegen einen Geist. Und doch zögerte sie. Sie wollte nicht mit ihnen gehen. »Ladies müssen nicht tapfer sein, Alexi. Sie müssen anmutig sein,
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