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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition)
Autoren: Thea Derado
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Wirtschaften stand ein elektrisches Klavier, das für mich große Anziehungskraft hatte.
     
    Einmal verreisten wir in Papas Heimatort Bärenstein, zwischen Oberwiesenthal im Erzgebirge und der böhmischen Grenze. Es war der erste und einzige Besuch unserer ganzen Familie bei Papas Mutter. Der Vater, Obersteiger im Bergwerk, war schon zeitig an Staublunge gestorben.
    Unsere Großmutter besaß ein Häuschen direkt am Wald. Sie kam schon nach ku rzer Zeit mit einem großen Korb schöner Pilze zurück. Sie muss auch eine Ziege gehalten haben. Sie schenkte mir eine Tasse voll Milch ein, die wohl von diesem Tier gewesen sein muss. Ziegenmilch, ich war nicht voreingenommen. Mein Magen aber verabscheute das edle Getränk und wollte es nicht behalten. Die frisch gescheuerten Holzdielen zeigten Spuren des Rückwärtstransports. Später, viel später wurde dieses köstliche Weiß für mich Medizin. Und heute noch mag ich sie.
    Hier lernte ich auch Vaters Bruder Albert kennen, der eine Fleischerei hatte. Sonst weiß ich von seiner Familie leider nicht viel. Später tauchte noch eine Cousine auf, die eine Klöppelschule betrieb. Ich hab noch so leise in Erinnerung, dass man mich nach Schulabschluss dorthin bringen wollte.
    Die Rückfahrt! Die Reise hatte für unseren Vater wohl noch einen weiteren Grund, als in diesem Sommer nach dem Krieg nur seine Mutter zu besuchen. Wir Kinder waren mit Rücksäcken ausgerüstet, die mit allem Möglichen bepackt wurden, das, im Böhmischen eingekauft, in Deutschland noch knapp war. Mein kleiner Rucksack war voll mit Streichhölzern, die ja jeder Haushalt brauchte.
    Während Mama mit uns drei Mädchen mit dem Dampf schnaubenden Bimmelbähn-chen fuhr, schlug unser Vater einen Umweg zu Fuß durch den dichten Wald ein. Wahrscheinlich hatte er Spirituosen eingekauft, die verzollt werden mussten. Er stieg, als wir sicher auf sächsischem Boden waren, wieder zu uns in den Zug.
     
    Ein eigenartiges Bild aus dieser Zeit ist mir geblieben: In Freiberg tauchte eines Tages ein ganz fremdartig gekleideter Mann vor einem Schuhgeschäft auf: in roter Hose! Wo gab es denn so was?
    Alle Kinder jaulten: „Franzose mit der roten Hose!“ Er hatte uns mit unserem säc hsischen Dialekt wohl nicht verstanden. Das war vermutlich nach Kriegsende. Zur Schule ging ich jedenfalls noch nicht.
     
    Als die Zeiten schlechter wurden, mussten wir umziehen. Jedoch für den Auszug aus der angenehmen Wohnung über der Bäckerei war nicht Geldmangel oder hohe Miete der Grund. Die Wohnung wurde uns gekündigt: Unser Vater, nun schon länger wieder in Freiberg im normalen Alltag, fing an, den Hausfrieden zu stören. Er brüllte durchs Haus!
    Über uns wohnte eine Frau, deren Sohn aus fernem Land heim gekommen war. Mit diesem jungen Mann fing es an. Vater brüllte :„Meisterringer, komm mal runter!“ Was dem Hauswirt auch zu Ohren kam. Das ging einige Zeit so.
    Dazu kam, wir lagen schon im Bett, Vater war noch in der Wohnstube. Mama sagte nur: „Mach das Licht au s, du bezahlst es ja nicht!“ Sie verdiente ein bisschen Geld, indem sie in einer Gastwirtschaft aushalf, zu der auch – wie praktisch – ein Pferdefleisch-Geschäft gehörte.
    Er kam ans Bett von Mama und schlug ihr ins Gesicht, so dass Blut floss!
    Wir Kinder, hochgeschreckt, fingen natürlich an zu schreien, was durchs ganze Haus dröhnte und alle Hausbewohner aus dem Schlaf riss. Jedenfalls kam dann prompt die Kündigung.
    Er hat alles zerstört!
     
    Die neue Wohnanlage war zuvor Unterkunft vom Militär, also Baracken. Ich habe mich geschämt vor Mitschülerinnen, die in ordentlichen Häusern wohnten. Ich war so traurig über diesen Umzug!
    Dort erlebten wir mit Vater weiter Unschönes. Der Alkohol war sein Hauptgetränk.
    Einmal kam er vollgelaufen heim. Es muss eine Alkoholvergiftung gewesen sein. Er kotzte, was so eklig war. Dennoch war Mama um ihn bemüht und umsorgte ihn.
    Er stank! Doch sie liebte ihn! Das muss man miterlebt haben! Die Eindrücke, diese Szenen bleiben ewig hängen!
    Dies kriegten wir Kinder alles mit, obwohl der Schlafraum sehr groß war und Vaters Bett abseits stand.
    Heute glaube ich, dass diese Umstände für meine Schwester Dora auch ein Grund waren, nicht so bald, oder vielmehr gar nicht wieder von Roda nach Hause zu kommen.
    Wo und in welcher Kneipe Vater sich aufhielt, kann ich nicht sagen. Aber die müssen auch Anziehung auf weibliche Wesen ausgeübt haben. Vater blieb oft tagelang weg, und eines Tages war es klar, eine andere
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