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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition)
Autoren: Thea Derado
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Jahre alt werden!“
    Ganz hat sie es nicht geschafft. Aber die Lebensqualität der gewonnenen Jahre ist ein Grund zur Dankbarkeit.
     
     
    E in Schlemmerpaket aus dem Rathaus vom Münchner Oberbürgermeister zum 90. Geburtstag hebt die Laune weiter. Die älteste Urenkelin schreibt: „Wie schön, dass du noch nicht gestorben bist!“
     
    Wenige Monate später bekommt Lara in Hamburg Brüderchen Lion, Romis viertes Ur-Enkelkind. Damit ist auch bei Enkelsohn Thomas  die Familie komplett.
     
    „Omi“, drängt Tanja,   „ich bin so selten bei dir und möchte noch so viel erfahren. Kann ich dir ein Diktiergerät geben und du erzählst aus deinem Leben?“
    „Nee, so lange reden kann ich nicht. Da bleibt mir die Spucke weg. Da schreibe ich das doch li eber auf.“
    „Du behauptest doch seit Jahren, mit deinen Rheuma-Händen könntest du nichtmehr schreiben. Nun gar ein ganzes Leben?“
    „Ich probier es mal. Da kommt das einseitig bedruckte Papier von Reklame und Behörden wenigstens zum Einsatz. Das kann ich doch nicht einfach wegwerfen.“
     
    Tauziehen 
    T anjas Aufforderung folgend, bringt Leni ihre Erinnerungen zu Papier, und die Vergangenheit bricht auf. Da ist plötzlich der Einfluss ihrer Mutter stark zu spüren, so dass ich befürchte, die zieht sie uns weg.
    B epackt mit Lebensmitteln komme ich an. Sie schreibt gerade wieder.
    „Weißt du, ich war als Kind auch mal im Kirchenchor. Da haben wir sogar bisschen Geld gekriegt, sieben Mark im Vierteljahr. Das habe ich gespart und mir dann davon eine Ma ndoline gekauft.“
    Das höre ich zum ersten Mal, dass sie mal Mandoline gespielt hat.
    „Aber dann sagte meine Mama eines Tages, ich soll nun nicht mehr spielen, sie müsse bald sterben.“
    Da wird Leni vom Schluchzen geschüttelt und muss so weinen, als wäre das nicht vor fast 80 Jahren gewesen , sondern erst kürzlich. Ich nehme sie in die Arme, um sie in die Gegenwart zurück zu schaukeln.
    Es ist ein hartes Stück Arbeit und kostet Kraft, in der Vergangenheit rumzustochern. Aber man kann sich ja nur so lange an etwas erinnern, solange man noch hier ist.
    Sterben ist ja nichts Alltägliches, man tu t es nur einmal. Da sollte man sich damit schön Zeit lassen.
    Mutti meint, das sei ein komischer Geda nke, plötzlich eines Tages nicht mehr da zu sein.
    „Na, stell dir vor, ich komme hier in deine Wohnung und will mit dir knuddeln, und dabei bist du tot.“
    Bei dieser trüben Vorstellung müssen wir beide heulen.
     
    „Urahne, zieh nicht so!“ möchte ich der im Jahre 1926 gestorbenen Mutter meiner Mutti zurufen. „Wir brauchen deine Leni noch hier auf Erden.“
    Nun ziehe ich von der L ebensseite her dagegen, indem ich Mutti zum Lachen bringe, mit ihr singe, die Hände auf ihre immer schwächer werdenden Beine lege. Vielleicht fließt ja doch Kraft auf sie über, wenn es heilende Hände geben soll. Wer weiß? Jedenfalls tut meiner Mutti das alles sehr gut.
    Moderne Technik habe ich zusätzlich als Lebensstütze eingesetzt, einen neuen, sch icken Flachbild-Fernseher. Ein richtiges Schmuckstück, das ziemlich viel gekostet hat. Jedenfalls hat nun Mutti das Gefühl, mit so einer teuren Anschaffung müsse sie auf alle Fälle durchhalten, bis die Garantie ausläuft!
    Vor ein paar Tagen schickte Tanja ihrer Omi ein Video, Zusammenschnitt aller Schulaufführungen ihrer Mädchen aus einem reichlichen Jahr. Das ist eine großartige Idee. So erlebt Romi-Leni all die herausragenden Ereignisse im Leben ihrer Urenkelinnen: Die sechsjährige Sandra   spricht wie ein Profi im Schulsaal ins Mikrofon, setzt sich ans Klavier und spielt, ohne zu stocken oder aus dem Rhythmus zu kommen, vor den Neueingeschulten. Jana, nicht nur mit zwei sehr gut gespielten Rollen in ihrer Theatergruppe, sondern dann auch noch in einem kleinen Zirkus oben am Trapez ihre Kunststücke zeigend.
    Bereits als Geburtstagsgeschenk kam eine Video-Kassette mit einer Führung durch Tanjas alte und Thomas‘ neue Hamburger Wohnung. Mutti hat ja wohl keine Gelegenheit, sie anzuschauen. Jana   und Sandra   führen durch die Räume, erklären klar und verständlich. So kann Leni alles mehrmals betrachten. Jedem lieben Besucher werden die Kassetten vorgeführt.
    Mit meinem Mann sitze ich gerade beim Essen, als Mutti anruft und fragt, wie sie den Videorekorder am Fernseher anschließen muss, da sie einer Bekannten die Aufnahmen zeigen möchte. Ich vertröste sie auf etwas später. Doch schon nach wenigen Minuten klingelt wieder das Telefon
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