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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition)
Autoren: Thea Derado
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Frau bekam oder hatte bereits ein Kind von ihm. Ausgesucht hatte er sich nicht gerade eine Frau, die mit Mama zu vergleichen war. Eine Bucklige, sie arbeitete in einer Fabrik.
    Nun, so zog er nicht mehr mit uns in eine andere Wohnung, sondern zu der Neuen. Er kümmerte sich nicht um uns! Gab uns freiwillig kein Geld! Nicht mal zu Weihnachten! Auch für mich kein Geschenk! Mama nahm zum Überleben Heimarbeiten an. Woher soll ich einen solchen Vater noch gern haben?
    Es gibt noch viele unangenehme Erlebnisse, die besser unerwähnt bleiben!
     
    Jedenfalls zog meine Mama mit uns später in eine andere Wohnung, worüber ich sehr froh war.
    Die neue Wohnung lag etwas entfernt vom Stadtkern. Ein Grünstreifen, die Prom enade, und drei große Stadtteiche lagen dazwischen. Ich fürchtete mich dort immer auf dem einzigen schmalen Weg zwischen zwei Teichen, denn da huschten große eklige Ratten.
    In einem der Teiche dienten auf Pfählen gebaute Terrassen im Sommer als Freizei tlokal, und dort saß, wer genügend Geld hatte und trank ‚ä Schälchen Heeßen’.
    Schwanenpaare tummelten sich auf dem Wasser, deshalb Schwanenteich genannt. Im Winter Eislauf mit Musik. Oh Gott, was waren das für Schlittschuhe zum Anschnallen, so genannte Absatzreißer!
    Mich an den angrenzenden Teich zu erinnern, ist weniger schön. Abgesehen von den Ratten wurden öfters Wasserleichen herausgeholt, Leute, die mit ihrem Leben nichts mehr anzufangen wussten. Konnte man das in den Zeiten der Kriegsnöte verdenken? Für manchen war der einzige liebe Mensch nicht wieder heimgekommen.
    Zwischen den Teichen auf einem großen freien Platz kampierte alle Jahre fahrendes Volk, viele Zigeuner. Sie breiteten ihre Sachen aus dem Wohnwagen im Freien aus. Welch bunte Farbenpracht ihre Deckbetten zeigten! Daheim die Buntkarierten oder weiße Bettwäsche. Beim Anblick der wunderbar bunten Stoffe gingen uns Kindern die Augen über.
    Der dritte Teich wurde wegen des dichten Schilfbewuchses mit den Rohrbomben weniger aufgesucht.
    Im Villenviertel Freibergs fiel ganz besonders ein schönes kleines Schlösschen auf. Die Familie Freiherr von Metsch bewohnte es. (Herr v. Metsch taucht auch in historischen Büchern über das Dresdner Königshaus auf.) In diesem Viertel standen die Einfamilienhäuser, und dort gab es viel Bewegungsfreiheit.
    In der Nähe war ein Schwimmbad. Aber wer hatte schon da s Eintrittsgeld.  Etwas weiter im Wald gab es eine frei zugängliche Bademöglichkeit, den Soldatenteich. Freiberg war Garnisonsstadt, und die Soldaten fühlten sich in dem klaren Wasser ebenso wohl wie wir.
     
     
    Nach Ostern 1920
     
    Zur Einschulung hatte mir Mutters Schwester Lydia aus alten Kleidern ein ‚neues’ genäht.
    Eine große Zuckert üte im Arm, betrat ich erstmals mein Klassenzimmer in der Mädchenschule, in das ich hinfort an sechs Tagen in der Woche gehen würde.
    Unser Klassenlehrer war ein gemütlicher Herr mit weißen Spitzbärtchen.
    Die Schule hatte auch eine höhere Mä dchenklasse ab dem fünften Schuljahr mit dem Ziel der Mittleren Reife, nachdem die Spreu vom Weizen, na wohl eher Roggen, getrennt war, gleichviel ob arm ob reich.
    Da war auch Marianne Stecher, deren E ltern in Freiberg eine große Lederfabrik, eine Gerberei, besaßen, selbst aber in einem der umliegenden schönen Orte wohnten. Marianne brachte oft ein Stück Leder für den Lehrer mit, damit er seine maroden Schuhe besohlen lassen konnte.
Besohlen, das konnte auch meine Mama
    perfekt  auf einem eisernen Dreifuß.
 
    Noch andere begüterte Mädchen drückten mit mir die Schulbank, und es entstanden Freundschaften zwischen  den unterschiedlichsten Schichten. Auch Herrn v. Metschs Töchter gingen in meine Schule.
Ruths Vater war Rektor des Gymnasiums. Unsere Mütter kannten sich aus einem von Ruths Mutter gegründeten Frauenverein. Ich weiß noch, wie die Frauen in der Kriegs- und Nachkriegszeit Schuhe aus Stroh herstellten. Das Stroh wurde zu Zö pfen geflochten und dann in der gewünschten Form zur Sohle zusammengenäht.
 
     
     
    Ruth wohnte in einer tollen Villa am grünen Stadtring und Park. Ich wurde oft zu ihr eingeladen. So auch einmal in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit, als wir daheim Not litten. Die gesamte Familie setzte sich zum Frühstücken an den Tisch. Es gab Haferflocken, von denen die Spelzen nicht entfernt waren, was beim Herunterschlucken arg rau und hinderlich war. Alle legten die ohnehin nicht verdaulichen Spelzen auf den Tellerrand. Mir war es sehr
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