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Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)

Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)

Titel: Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Autoren: Leslie Parrish
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Prolog
    Washington, D. C.
    4. Juli 2022
    Während Leanne Carr ermordet wurde, bemühte sie sich die ganze Zeit, die Augen offen zu halten.
    Sie schrie nicht – das wäre zwecklos gewesen. Dieser finstere, höhlenartige Teil des zweiten Untergeschosses war völlig menschenleer. Zur Vorbereitung auf die heutige Veranstaltung hatten Teams des Secret Service, der für die Sicherheit zuständig war, schon vor vierundzwanzig Stunden den ganzen Komplex gründlich durchkämmt und nicht einmal mehr den Bauarbeitern, die sonst rund um die Uhr hier tätig waren, Zutritt gewährt. Anschließend hatten sie die gesamte Baustelle abgesperrt.
    Es war einfach ihr Pech gewesen, dass sie als autorisierte Mitarbeiterin die Absperrungen hatte umgehen können. Die gleichen Maßnahmen, die Unbefugte fern hielten, hatten dazu geführt, dass sie hier unwiderruflich in der Falle saß. In der Gewalt eines Psychopathen.
    Wenn Leanne gekonnt hätte, hätte sie gekämpft. Aber das war unmöglich, nachdem der Angreifer, ganz in Schwarz gekleidet, ihr einen metallenen Gegenstand an den Oberarm gedrückt hatte. Die tausend kleinen Schmerzwellen eines Elektroschocks hatten sie durchschossen, und danach hatte sie nichts anderes mehr tun können, als auf dem kalten Betonboden zu liegen, während jeder einzelne Muskel in ihrem Körper zuckte. Hilflos. Nutzlos. Benommen hatte sie zugeschaut, wie der Täter ihr die Kleidung vom Leib schnitt, Stück für Stück, wobei es ihm anscheinend egal war, wenn er hin und wieder auch Hautfetzen mit wegschnitt.
    Seltsam, aber dieses Schneiden tat nicht so weh, wie Leanne befürchtet hatte. Vielleicht, weil der Schock noch nachwirkte, mit dem er sie bewegungsunfähig gemacht hatte. Vielleicht auch, weil ihr Geist bereits begonnen hatte, sich aus der Situation zurückzuziehen.
    Vielleicht, weil sie schon tot war.
    Nein, nicht tot. Die Messerschnitte quälten sie zwar weniger schmerzhaft, als sie erwartet hatte, und die Bilder vor ihren Augen waren für ihr Hirn unverständlich. Dunkelheit, nichts als Dunkelheit. Aber ihre Sinne hatten sie noch nicht vollkommen verlassen. Sie nahm einen sonderbaren Geruch war. Medizinisch. Metallisch. Wahrscheinlich Blut, denn das schmeckte sie auch auf den Lippen, seit dem ersten Schlag ins Gesicht.
    Auch hören konnte Leanne noch genug, um zu wissen, dass sich die Welt außerhalb ihrer ganz persönlichen kleinen Hölle weiterdrehte. Das zischende Geräusch seiner tiefen, gleichmäßigen Atemzüge, dessen Normalität sie rasend machte, vermischte sich mit dem schwachen Knattern von Rotorblättern hoch über ihnen.
    Hubschrauber.
    Im Geiste hörte Leanne auch, was draußen sonst noch los sein musste. Die Stimmen von sorgfältig überprüften, handverlesenen Reportern riefen im Voraus genehmigte Fragen. Die Musikkapelle eines Colleges, die unter Tausenden von Bewerbern für diese ehrenhafte Aufgabe ausgewählt worden war, spielte die Nationalhymne. Die patriotischen Zuschauer jubelten unter Tränen, genau so, wie die Lieder und Ansprachen das vorsahen.
    Der Tag war gekommen, das große Ereignis, bei dessen Organisation sie in den vergangenen Monaten mitgeholfen hatte. Seltsam, wie unwichtig das jetzt war, in diesen letzten Momenten ihres Lebens.
    Es gab noch ein weiteres Geräusch, das Leanne langsam bewusst wurde und schließlich alle Gedanken vertrieb. Und mit jedem Nervenende, das wieder zum Leben erwachte, nur um eine weitere Variation von Schmerz zu erfahren, wurde dieses Geräusch lauter.
    Es war der Klang ihres Stöhnens. Das sich zweifellos irgendwann in Schreien verwandeln würde.
    Aber noch nicht tot , sagte Leanne sich, auch wenn sie wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde. Wahrscheinlich jedoch länger, als ihr lieb war, nach dem Gesicht unter der Maske zu urteilen. Bis auf den Atem war der Mörder ganz still, seine Bewegungen wirkten wohlüberlegt, und hinter dem schwarzen Tuch, das seinen ganzen Kopf verhüllte, war nur die geschwungene Linie seines Mundes zu erahnen. Er – oder möglicherweise sie? – lächelte.
    Nein. Der Tod würde nicht schnell genug kommen.
    »Bitte.«
    Mehr brachte Leanne nicht heraus. Dabei wusste sie selbst nicht, um was sie bat. War es eine Bitte, sie gehen zu lassen? Sie sterben zu lassen? Das hier nicht geschehen zu lassen?
    Er ignorierte sie. Leanne versuchte, sich auf etwas zu konzentrieren, das für seine Identifikation verwendbar war – auf den Farbton seiner Haut, auf irgendwelche besonderen Merkmale, so, wie sie es gelernt hatte.
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