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Die Giftköchin

Die Giftköchin

Titel: Die Giftköchin
Autoren: Arto Paasilinna
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    Eine adrette alte Frau in heiterer ländlicher Umgebung, welch hübscher Anblick!
    Im Vorgarten eines kleinen, roten Häuschens wirkte eine zierliche Greisin, sie hielt eine gelbe Gießkanne und begoß das Stiefmütterchenbeet an der Hauswand. Über ihr schwirrten Dachschwalben zwitschernd hinauf in den klaren Himmel, die Hummeln summten, auf dem Rasen schlief faul die Hauskatze.
    In einiger Entfernung, am Waldrand, stand eine kleine, graue Sauna; es war Nachmittag, und aus dem Schornstein wirbelte blauer Rauch. Neben dem Pfad, der zur Sauna führte, befand sich ein Brunnen, auf seinem Deckel standen zwei rote Eimer bereit.
    Die ganze Anlage war schön, alt, gepflegt. Ein paar hundert Meter weiter südlich sah man das Dorf: einige größere Häuser, das Kunststoffdach eines Gewächsha u ses, eine Scheune und Kuhställe, dahinter, halb von Brennesseln verdeckt, verrostete Autowrackteile. Das aufreizende Knattern von Mopeds tönte herüber, und aus der Ferne das gleichmäßige Brausen eines Zuges.
    Man befand sich im nördlichen Siu ntio, im entlegenen Dorf Harmisto, das aus einem Laden, einer Post, einer Genossenschaftsbank, einer rostenden Industriehalle und etwa dreißig Bauernhöfen bestand. Helsinki lag fünfzig Kilometer entfernt.
    Die alte Frau trug zwei Eimer Wasser zur Sauna. U n terwegs mußte sie sich mehrmals ausruhen. In der Sauna legte sie Holz im Ofen und unter dem Wasserke s sel nach und schob die Schornsteinklappe weiter zu.
    Auf den ersten Blick konnte man denken, die Frau stamme aus diesem Dorf, habe ihr ganzes Leben lang in dem Häuschen gewohnt und verbringe jetzt ihre letzten Jahre geruhsam damit, Stiefmütterchen zu züchten und sich um ihre Katze zu kümmern.
    Doch weit gefehlt. Die Hände der alten Frau waren feingliedrig und ohne Schwielen. Mit diesen Händen war weder im Akkord auf den Kornfeldern geschuftet noch waren damit unzählige Kuheuter in den großen Ställen der Gutshäuser gemolken worden. Die alte Dame war städtisch frisiert, das weiß gewordene Haar fiel ihr a n mutig auf die schmalen Schultern. In ihrem frischen, blau-weiß gestreiften Kleid wirkte sie eher wie eine Gutsherrin auf Urlaub als die von harter Fron gezeic h nete Witwe eines Landarbeiters.
    Sie hatte gerade ihre Monatsrente von der Genosse n schaftsbank des Dorfes abgeholt. Man sollte annehmen, daß so ein sommerlicher Zahltag Freude macht, doch weit gefehlt. In Wahrheit hatte die Frau gelernt, den Tag der Rentenzahlung zu hassen: Jedesmal mußte sie dann unliebsame Gäste aus Helsinki empfangen. So geschah es schon seit mehreren Jahren, jeweils einmal im M o nat. Als die Alte über diese Situation nachdachte, verließ sie plötzlich der Mut. Kraftlos setzte sie sich in ihre Gartenschaukel, nahm die Katze auf den Schoß und sagte zu ihr mit müder Stimme:
    »Gott schütze mich vor diesen Zahltagen!«
    Sie richtete ihren besorgten Blick auf die Dorfstraße, die die Gäste aus Helsinki entlangkommen würden, und am liebsten hätte sie kräftig geflucht wie ein Mann, wie ein rauher Offizier, doch sie tat es nicht, denn sie war eine kultivierte alte Dame. Ihr Blick wurde jedoch hart, ihre Augen blitzten in heftigem Zorn. Die Katze machte einen Buckel, auch sie schaute auf die Straße.
    Die Frau stand auf und ging mit energischen Schri t ten in die Sauna, die Katze folgte ihr. Nachdem die Alte den ersten Aufguß gemacht hatte, knallte sie die Ofe n klappe so heftig zu, daß vom Schornstein ein Stück Putz abbröckelte und auf den Deckel des eingemauerten Wasserkessels fiel.
    Die zarte alte Dame hieß Linnea Ravaska. Sie war durch den Tod ihres Gatten, Oberst Rainer Ravaska, im Jahre 1952 verwitwet, im selben Jahr, da in Helsinki die Olympischen Spiele stattfanden. Jetzt wohnte sie als Pensionärin in der Gemeinde Siuntio, Ortsteil Harmisto, in diesem kleinen, roten Häuschen, in dem es außer Elektrizität keinen modernen Komfort gab. Sie lebte allein, in ihrem Haushalt sollte es außer ihr selbst und der Katze eigentlich niemanden geben, der unterhalten werden mußte. So glücklich lagen die Dinge jedoch nicht. Um das Leben der alten Offizierswitwe war es sehr viel schlechter bestellt.

2
    Drei muntere junge Männer rasten in einem gestohlenen roten Auto auf der Turkuer Autobahn in Richtung W e sten. Sie passierten gerade Veikkola. Es war Nachmi t tag, im Auto war es heiß. Am Steuer saß der Jüngste des Trios, der zwanzigjährige Jari Fagerström, neben ihm der zehn Jahre ältere Kauko Kake Nyyssönen und im Fond
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