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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition)
Autoren: Thea Derado
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ihr wenigstens nachträglich leid tut und sie sich für die viele ungerechtfertigte Haue entschuldigt.
    Als ich noch kleiner war, waren die Stra fmaßnahmen noch weniger gerechtfertigt: ein verlorenes Taschentuch, weil in meinen Kleidern keine Taschen sein durften. Ich hätte ja die Hände darein stecken können, und so etwas wäre unfein bei kleinen Mädchen. Also steckte ich das Taschentuch in den ausgeleierten Bund der Söckchen. Da blieben sie nur nicht bei dem Gehopse und Gerenne. Beichtete ich am Abend den Verlust, gab es sofort Dresche!
    Oder eine verlorengeglaubte Brotmarke für eine Semmel, die sich aber dann doch in meinem Kinderportemonnaie in einem Seitenfach wiederfand. Immer gab es Wichse!
    Dauerbrenner war die Unordnung auf meinem Kinderpult. Darin war einfach nicht genug Platz, um alle Schul- und Spielsachen säuberlich zu schichten. So stapelten sich Bücher und Papiere auf diesem weißen Schlei flackpult und erregte als Schandfleck im Wohnzimmer Muttis Ärger. Ich konnte fürs Wochenende getrost eine Tracht Prügel als Nachtisch einplanen.
    Einmal blutete mir die Nase nach der son ntäglichen Dresche und ich hoffte, nun würde es Mutti aber leidtun. Pustekuchen!
    „ Tropf hier nicht alles voll Blut! Geh über den Ausguss“, kriegte ich zu hören, untermauert durch den pädagogischen Spruch: Schade um jeden Schlag, der danebengeht!
    Verjährt ist es ja ohnehin und unserer Liebe tut es auch keinen Abbruch. De nnoch wäre ein Wort der Abbitte recht schön.
     
    Letzthin fiel mir ein Buch in die Hände: „Die geschlagene Generation“. Besonders in den Nachkriegsjahren wurden die Kinder hemmungslos verkloppt. Aber reichlich überzogen finde ich, dass elterliche Ohrfeigen als ‚Angriff auf die Menschenrechte‘ betrachtet werden. Wir wollen nicht übertreiben.
    Wie ich registriere, nehmen die handfesten Erziehungsmethoden aber von Gener ation zu Generation ab.
    Auch meine Kinder wissen noch sehr g enau, wann mir mal die Hand ausgerutscht ist! Ich hoffe, sie haben mir verziehen!
     
    Viele Verbindungswege zwischen Oberschaar und Freiberg, die man hätte gehen können, gab es nicht. Die meisten waren ungepflastert, reine Feldwege.
    Durchs Mulden-Tal verlief die Straße, steil bergan, steil hinab. Wie oft bin ich mit meiner Mama diesen Weg gegangen! Hal sbrücke mit seiner 140 m hohen Esse, damals Europas höchster aus Ziegeln erbauter Schornstein. In dem Ort wurden Münzen geprägt. Die dort Arbeitenden sollen bei Feierabend einer gründlichen Leibesvisitation unterzogen worden sein, kein Körperteil blieb da verschont.
    Nun zurück zu Großvaters Mühle: Elektr ischen Strom aus dem Netz gab es ja dort auch noch nicht, aber die Mühle, die, außerhalb des Ortskerns von Oberschaar gelegen, von einem Bach angetrieben war, erzeugte über einen Dynamo Elektrizität für den Hausgebrauch. Stand die Mühle still, gab es auch kein elektrisches Licht sondern Kerzenbeleuchtung.
    In der Guten Stube erinnerten Bilder an der Wand daran, dass Großvater den 1870er Krieg bei den Ulanen hoch zu Ross mitgemacht ha tte im Kampf Mann gegen Mann.
    Wegen der vom Ort entfernten Lage war auch eine Trinkwasserleitung zum Haus der Gro ßeltern undenkbar. Man konnte also nicht einfach einen Wasserhahn aufdrehen. Vom Wohnhaus entfernt gab es auf einer üppig mit Gras bewachsenen Wiese einen so genannten Born, in dessen Tiefe wunderbar klares und weiches Wasser nie zur Neige ging. Ausgerüstet mit Wassereimern gingen wir dorthin, ließen an einer langen Leine die Eimer in die Tiefe gleiten und zogen sie voll des köstlichen Nass’ wieder heraus.
    So mancher Störenfried, der sich nur u ngern vertreiben ließ, tauchte auf: ein Fuchs. Er hatte es wohl auf die wunderschönen Perlhühner abgesehen, die unser Großvater dort züchtete.
    Doch nicht nur dieser Fuchs jagte uns einen Schrecken in die Glieder. Auf der Wiese konnte man auch wunderschöne Wiese nchampignons finden. Bog man, um zu pflücken, das Gras zur Seite, konnte ein hässliches Zischen ans Ohr dringen. Ottern waren aus ihrer Ruhe gestört worden. Huch, also nur fort!
     
    Ich habe meine Großeltern noch oft besucht. Das war jedes Mal wie ein Erholungsurlaub.
    Besonderen Spaß hatten wir mit ihrem K ater, einem Brocken von Tier. Wir Kinder, eine Cousine und ich, gaben ihm Baldrian, worauf der Kater sich nur so kullerte.
    Eine Tante, deren Mann im Krieg gefallen war, wohnte noch mit ihrer Toc hter bei meinen Großeltern.
    Großmutter Liberte stammte aus Theißen bei
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