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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie
Autoren: W Gibson
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wissen, wessen lange, starke Finger den Star erdrosselt und dort hingeworfen haben.
    Eins jedoch bleibt ihr verschlossen, ein besonderes Bauteil im Puzzle der Geschichte.
    An der Schattengrenze der Eichen im stahlblau-lachsfarbenen Abendrot dieses Frankreichs, das nicht Frankreich ist, bittet sie Bobby um die Antwort auf ihre letzte Frage.
     
    Sie warteten um Mitternacht in der Auffahrt, weil Bobby ihr eine Antwort versprochen hatte.
    Als die Uhren im Haus zwölf schlugen, hörte sie Reifen auf Schotter knirschen. Es war ein langer, flacher, grauer Wagen.
    Am Steuer saß der Finne.
    Bobby öffnete die Tür und half ihr hinein.

    Im Fond saß der junge Mann, den sie auf dem unmöglichen Pferd mit den drei ungleichen Reitern gesehen hatte. Er lächelte ihr zu, sagte jedoch nichts.
    »Das ist Colin«, erklärte Bobby, der neben ihr einstieg. »Den Finnen kennst du ja schon.«
    »Sie hat keinen blassen Schimmer, hm?«, fragte der Finne und legte den Gang ein.
    »Nein«, sagte Bobby, »ich glaub nicht.«
    Der junge Mann namens Colin lächelte sie an. »Das Aleph ist eine annähernde Entsprechung der Matrix«, sagte er, »quasi ein Modell des Cyberspace …«
    »Ja, ich weiß.« Sie wandte sich an Bobby. »Und? Du hast mir versprochen, mir den Grund für die Wende zu erklären.«
    Der Finne lachte, was sehr sonderbar klang. »Es gibt keinen Grund, Lady. Eher eine Ursache. Erinnerst du dich, dass Brigitte dir einmal gesagt hat, es gäbe da diese andere? Ja? Nun, das ist die Ursache, und die Ursache ist der Grund.«
    »Ja, ich erinnere mich. Sie hat gesagt, als sich die Matrix schließlich als solche erkannte, sei da ›die andere‹ gewesen …«
    »Dahin fahren wir heute Nacht«, begann Bobby und legte den Arm um sie. »Ist nicht weit, aber …«
    »… anders«, ergänzte der Finne, »ganz anders.«
    »Aber was ist es?«
    »Weißt du«, sagte Colin und strich sich die braune Locke aus der Stirn, eine Geste wie die eines Schuljungen in einem uralten Theaterstück, »als die Matrix Empfindungsvermögen erlangte, wurde sie sich gleichzeitig einer anderen Matrix, einer anderen empfindungsfähigen Entität bewusst.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte sie. »Wenn der Cyberspace aus der Gesamtsumme aller Daten in der menschlichen Welt besteht …«

    »Ja«, sagte der Finne, der nun auf den langen, geraden, leeren Highway einbog, »aber keiner hat was von der menschlichen Welt gesagt, nicht wahr?«
    »Die andere war woanders«, erklärte Bobby.
    »Centauri«, sagte Colin.
    Wollen die sie aufziehen? Ist das einer von Bobbys Scherzen?
    »Ist gar nicht so leicht zu erklären, warum die Matrix sich in all die Hoodoos und den ganzen Scheiß aufgespalten hat, als sie der andern begegnet ist«, sagte der Finne, »aber wenn wir erst mal da sind, wirst du’s schon kapieren …«
    »Ich persönlich finde es so weitaus amüsanter«, sagte Colin.
    »Ist das tatsächlich wahr?«
    »Wir sind in null Komma nichts da«, sagte der Finne. »Ganz ehrlich.«

Nachwort
    Das Geheimnis der Science Fiction ist es, eine Welt zu erschaffen, von der man selbst nichts weiß.
    Als William Gibsons Roman »Neuromancer«, der Auftakt zur gleichnamigen Trilogie, 1984 erschien, gab es kein Windows, kein Google, kein Facebook, kein YouTube, kein Twitter, kein Linux, keine Chatrooms, keine Laptops, keine USB-Sticks, keine Blackberrys, keine iPhones, keine SMS. Als »Neuromancer« erschien, konnte man das neue Album von, sagen wir, Culture Club oder Duran Duran als große schwarze Scheibe kaufen und E-Mails und Computernetzwerke – also die Vorstufen dessen, was später das World Wide Web, der »Cyberspace« werden sollte – waren eine Feierabendbeschäftigung für eine Handvoll Informatiker und Militärs.
    »Tja, ist nicht mehr so wie früher«, würde der Finne sagen.
    An die dreißig Jahre später kann man sich die Zeit, als wir noch analog lebten, kaum mehr vorstellen. In diesen Jahren hat sich jene Welt, in der mediale Inhalte untrennbar mit einem Träger verbunden waren, ob Stein oder Papier, Vinyl oder Zelluloid, mit erstaunlicher Geschwindigkeit aufgelöst, mit dem Ergebnis, dass heute praktisch alle Arbeitsprozesse und Alltagsvorgänge in irgendeiner Form an das Internet gekoppelt sind, über siebzig Prozent aller Bewohner der westlichen Industriestaaten täglich »online« gehen. Fast dreißig Jahre später »Neuromancer« zu lesen bedeutet also, sich vorzustellen, wie es wäre, das Wort »Cyberspace« zum ersten Mal zu vernehmen. Denn William Gibson
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