Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
unversehrt war. Dann kletterte Molly wie ein Eichhörnchen hinterher, scheinbar ohne sich festzuhalten, und zurrte das Seil am Geländer fest. Slick kletterte langsam hinunter, weil er Cherry über der Schulter hatte, deren Muskulatur noch so schlaff war, dass sie sich nicht selber abseilen konnte. Mona hatte deswegen immer noch ein schlechtes Gewissen und fragte sich, ob das wohl der Grund war, warum die andern sie nicht mitnehmen wollten.
    Diese Entscheidung hatte allerdings Molly getroffen, die am Fenster stand und beobachtete, wie Leute aus dem langen schwarzen Helikopter quollen und über den Schnee ausschwärmten.
    »Seht euch das an«, hatte Molly gesagt. »Die wissen Bescheid. Jetzt kommen sie und sammeln die Scherben auf. Sense/Net. Ich mach mich mal lieber vom Acker.«
    Cherry nuschelte, sie würden auch abhauen, sie und Slick. Und Slick zuckte mit den Achseln, grinste dann und legte den Arm um sie.
    »Und was ist mit mir?«
    Molly sah sie an. Zumindest hatte sie den Eindruck. Wegen der Brille konnte man das nicht so genau erkennen. Weiße Zähne blitzten eine Sekunde lang über der Unterlippe auf, dann sagte sie: »Ich würd dir raten, hierzubleiben. Sollen die das mal auseinanderdröseln. Du hast ja eigentlich nichts verbrochen. Nichts von alledem war deine Idee. Schätze, die werden
sich dir gegenüber schon anständig benehmen, oder sich wenigstens Mühe geben. Ja, du bleibst hier.«
    Mona kapierte gar nichts, aber sie fühlte sich jetzt so kaputt, so crash-krank, dass sie nichts erwidern konnte.
    Und dann waren sie weg, das Seil runter und weg. Einfach so. Wie manche Leute, die einfach verschwanden und die man nie wiedersah. Sie schaute ins Loft zurück und sah Gentry vor seinen Büchern auf und ab marschieren, wobei er die Fingerspitze über die Buchrücken streifen ließ, als suchte er ein bestimmtes Buch. Er hatte eine Decke über die Trage geworfen.
    Also machte sie sich einfach aus dem Staub, obwohl sie nun nie erfahren würde, ob Gentry sein Buch je fand oder nicht, aber so war das nun mal; sie kletterte ebenfalls das Seil hinunter, was gar nicht so einfach war, wie es bei Molly und Slick ausgesehen hatte, erst recht nicht in Monas Verfassung, denn Mona war einer Ohnmacht nahe, und ihre Arme und Beine wollten sowieso nicht richtig gehorchen, so dass sie sich auf jede Bewegung konzentrieren musste, während in Nase und Hals alles anschwoll, und so kam es, dass sie den Schwarzen erst bemerkte, als sie unten angelangt war.
    Der stand ganz unten und betrachtete das große Spinnending, das sich nicht mehr rührte. Schaute hoch, als ihr Stöckel über den stählernen Treppenabsatz kratzte. Es war etwas furchtbar Trauriges in seinem Gesicht, als er sie sah, aber dann war es verschwunden, und er kam die eisernen Stufen herauf, gemächlich und geschmeidig, und als er näher kam, fragte sie sich, ob er wirklich ein Schwarzer war. Nicht wegen der Farbe, da gab es nicht den geringsten Zweifel, sondern wegen der Form seines kahlen Schädels und der Proportionen seines Gesichts; so einen wie den hatte sie noch nie gesehen. Er war groß, richtig groß. Trug einen langen schwarzen Ledermantel. Das Material war so dünn, dass es wie Seide fiel.

    »Hallo, Missy«, sagte er, als er vor ihr stand, griff ihr unters Kinn und hob ihren Kopf, so dass sie direkt in goldgesprenkelte Achataugen schaute, wie sie kein Mensch auf der Welt je gehabt hatte. Lange Finger, so zart an ihrem Kinn. »Missy«, sagte er, »wie alt bist du?«
    »Sechzehn …«
    »Du brauchst einen Haarschnitt«, sagte er, und es klang irgendwie ganz ernst.
    »Angie ist da oben«, sagte sie und zeigte hin, als sie die Stimme wiederfand. »Sie ist …«
    »Psst!«
    Sie hörte metallische Geräusche weit weg in dem großen alten Gebäude, dann sprang ein Motor an. Das Hover, in dem Molly sie hergebracht hatte, dachte sie.
    Der Schwarze zog die Brauen hoch, obwohl er gar keine hatte. »Freunde?« Er ließ die Hand sinken.
    Sie nickte.
    »Na gut«, meinte er, nahm sie bei der Hand und half ihr die Treppe hinunter. Unten führte er sie an der Hand um die Trümmer des Stegs herum. Da lag ein Toter in Tarnanzug mit so einem Megadings, wie die Bullen es hatten.
    »Swift«, rief der Schwarze durch die weite, leere Halle mit den schwarzen, scheibenlosen Sprossenfenstern, die sich als schwarze Gitter vor dem morgendlich hellen Winterhimmel abzeichneten. »Mach schon, komm her! Ich hab sie gefunden.«
    »Aber ich bin nicht sie …«
    Und dort drüben, wo das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher