Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie
Autoren: W Gibson
Vom Netzwerk:
er das Scheißlicht anmachen kann?
    Damit meint sie wohl das Licht unten, denn hier oben ist es blendend hell, so hell, dass sie von manchen Teilen verschwommene kleine Perlen und Farbspuren wegströmen sieht, wenn sie genauer hinschaut. Leuchtspurgeschosse. So heißt diese Munition, die leuchtet. Das hatte ihr Eddy in Florida erklärt, als irgendwelche Typen von einem privaten Sicherheitsdienst solche Dinger unten am Strand in der Dunkelheit abschossen.
    »Ja, Licht«, sagte das Gesicht auf dem kleinen Monitor, »die Hexe kann nichts sehen …« Mona lächelte ihm zu. Sie glaubte nicht, dass es noch jemand außer ihr gehört hatte. Die Hexe ?

    Also rannten Gentry und Big Slick überall rum, rissen die dicken gelben Kabel von der Wand, wo sie mit silbernem Klebeband festgemacht waren, und steckten sie in Metallkästen zusammen, und Cherry aus Cleveland saß mit geschlossenen Augen am Boden, Molly kauerte an der Tür und hielt die Knarre mit beiden Händen, und Angie …
    Sei still.
    Sie hörte, wie jemand das sagte, aber es war niemand in dem Raum. Vielleicht, dachte sie, war es Lanette, als ob die so was sagen könnte, durch die Zeit und die Stille hindurch.
    Denn Angie hockte neben der Trage mit dem Toten am Boden, hatte die Beine wie eine Statue unter dem Leib verschränkt und die Arme um ihn gelegt.
    Das Licht trübte sich, als Gentry und Slick die richtige Verbindung fanden, und sie glaubte zu hören, wie das Gesicht auf dem Monitor nach Luft schnappte, aber sie war schon auf dem Weg zu Angie und sah (plötzlich, total, so deutlich, dass es wehtat) das feine Blutrinnsal, das ihr aus dem linken Ohr lief.
    Selbst jetzt dauerte die Stille noch an, obwohl sie schon ein Brennen und Kratzen im Hals spürte und an Lanettes Worte denken musste: Zieh dir das bloß nie in die Nase, das frisst dir Löcher rein.
    Und Mollys Rücken war kerzengerade, die Arme streckten sich … nach draußen, nach unten, nicht zu dem grauen Kasten, sondern zu der Pistole, dem kleinen Ding, das Mona jetzt snick-snick-snick machen hörte, dann drei Explosionen tief unten, bestimmt mit blauen Lichtblitzen, aber Mona hielt jetzt Angie – blutverschmierter Pelz strich über ihre Handgelenke – und sah in sterbende Augen, deren Licht bereits erlosch. Weit weg, ewig weit weg.
    »He«, sagte Mona, ohne dass es jemand hörte, nur Angie, die über den Leichnam im Schlafsack sank. »He …«

    Sie schaute auf und erhaschte gerade noch einen letzten Blick von dem Bild auf dem Monitor, bevor es verblasste.
     
    Danach war ihr lange Zeit alles egal. Es war nicht die Gleichgültigkeit der Stille, des kristallenen Overdrive, und es war kein Crash, sondern einfach so ein Vorbei-Gefühl, wie es vielleicht ein Geist empfindet.
    Sie stand neben Slick und Molly in der Tür und schaute hinunter. Im trüben Licht großer, alter Glühbirnen sah sie ein metallenes Spinnengebilde über den schmutzigen Betonboden huschen. Es hatte große Sicheln, die ausschlugen und rotierten, wenn es sich bewegte, aber ansonsten rührte sich da unten nichts mehr, und das Ding lief wie ein kaputtes Spielzeug vor den verbogenen Trümmern der kleinen Brücke hin und her, die sie mit Angie und Cherry überquert hatte.
    Cherry hatte sich aufgerappelt, bleich und mit schlaffem Gesicht, und das Derm vom Hals abgezogen. »’s’n stark’s Muskelrelax’ns«, brachte sie mit Mühe über die Lippen, und Mona hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie wusste, dass sie eine Dummheit gemacht hatte, als sie zu helfen glaubte, aber das war immer so auf Wiz, und wieso konnte sie das eigentlich nicht lassen?
    Weil du vollgeknallt und bescheuert bist, hörte sie Lanette sagen, aber daran hatte sie sich nicht erinnern wollen.
    Da standen sie also alle und schauten zu der Metallspinne hinunter, die zuckend ihre Energien verausgabte und nur sich selbst zur Strecke brachte. Alle bis auf Gentry, der mit seinen schwarzen Stiefeln neben Angies rotem Pelz stand und den grauen Kasten vom Gestell über der Trage losschraubte.
    »Horcht«, sagte Molly, »da kommt ein Hubschrauber. Ein großer.«

    Mona ließ sich als Letzte am Seil hinunter. Gentry blieb als Einziger oben. Er sagte nur, er komme nicht mit, ihm sei das alles egal, er bleibe hier.
    Das Seil war dick und schmutziggrau und hatte Knoten, an denen man sich festhalten konnte, wie eine Schaukel, an die sie sich von ganz früher erinnerte. Slick und Molly hatten zunächst den grauen Kasten auf einen Absatz hinuntergelassen, wo die Eisentreppe noch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher