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Neuromancer-Trilogie

Titel: Neuromancer-Trilogie
Autoren: W Gibson
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große Tor offenstand, sah sie vor Himmel und Schnee und Rost diesen Schlips mit offenem Mantel und wehender Krawatte auf sie zukommen. Und Mollys Hover düste an ihm vorbei durch das Tor, aber er schaute sich nicht mal danach um, weil er nämlich Mona anschaute.

    »Ich bin nicht Angie«, sagte sie und überlegte, ob sie ihm erzählen sollte, was sie gesehen hatte: Angie und den jungen Typen zusammen auf dem kleinen Monitor, kurz bevor das Bild verblasste.
    »Ich weiß«, sagte der Schwarze, »aber das kommt schon noch.«
    Das Reich Gottes. Das Reich Gottes ist nah.

43
    Richter
    Die Frau führte sie zu einem Hovercraft, das in Factory drin geparkt war – falls man es »parken« nennen konnte, denn die Front war um einen Maschinensockel aus Beton gewickelt. Es war ein weißer Transporter mit der Aufschrift CATHODE CATHAY an den Hecktüren, und Slick fragte sich, wann es ihr gelungen war, ihn hier reinzukriegen, ohne dass er was gehört hatte. Vielleicht, während Bobby der Count sein Ablenkungsmanöver mit der kleinen Frachtmaschine inszeniert hatte.
    Das Aleph war so schwer wie ein kleiner Motorblock.
    Er wollte die Hexe nicht anschauen, denn an ihren Sicheln klebte Blut, und dafür hatte er sie nicht gebaut. Ein paar Leichen oder Leichenteile lagen herum; die schaute er ebenfalls nicht an.
    Er hielt den Blick auf den Biosoft-Block mit dem Batteriepack gesenkt und fragte sich, ob das alles noch da drin war – das graue Haus und Mexiko und 3Janes Augen.
    »Wartet«, sagte die Frau. Sie kamen gerade an der Rampe zu dem Raum vorbei, in dem er seine Maschinen hatte; der Richter war noch da, der Schinder auch …
    Sie hatte noch die Knarre in der Hand. Slick legte Cherry die Hand auf die Schulter. »Sie hat gesagt, wir sollen warten.«

    »Das Ding, das ich letzte Nacht gesehen habe«, sagte die Frau. »Dieser einarmige Roboter. Funktioniert der?«
    »Ja.«
    »Stark? Kann er’ne Last transportieren? Über unebenes Gelände?«
    »Ja.«
    »Hol ihn.«
    »Hm?«
    »Schaff ihn hinten ins Hover. Sofort. Mach schon.«
    Cherry klammerte sich an ihn; sie hatte weiche Knie von dem Zeug, das das Mädchen ihr verpasst hatte.
    »Du«, sagte Molly und deutete mit der Knarre auf sie, »ins Hover.«
    »Geh schon«, sagte Slick.
    Er setzte das Aleph ab und ging die Rampe hinauf in den Raum, wo der Richter im Halbdunkel wartete. Der Arm lag noch auf der Plane, wo er ihn hingelegt hatte. Das mit der Säge würde er jetzt nie mehr hinkriegen. In einem langen, staubigen Metallregal lag eine Fernsteuerung. Er nahm sie und setzte den Richter in Gang. Der braune Panzer vibrierte leicht.
    Er bewegte den Richter vorwärts, die Rampe hinunter. Die breiten Füße stapften eins-zwei, eins-zwei, die Kreisel kompensierten, ergänzten den fehlenden Arm. Die Frau hatte die Hecktüren des Hovercraft offen, es war alles bereit, und Slick ließ den Richter schnurstracks auf sie zumarschieren. Sie wich ein bisschen zurück, als der Richter über ihr aufragte; in ihren silbernen Gläsern spiegelte sich polierter Rost. Slick kam hinterher, während er sich schon überlegte, wie er den Richter hineinbekommen sollte. Er sah zwar keinen Sinn darin, aber immerhin schien sie zu wissen, was sie taten, und außerdem war alles besser, als hier in Factory zu bleiben, wo es von Toten nur so wimmelte. Er dachte an Gentry oben im Loft mit seinen
Büchern und diesen Leichen. Da oben waren zwei Mädchen gewesen, die beide wie Angie Mitchell ausgesehen hatten. Jetzt war eine von ihnen tot – er hatte keine Ahnung, woran oder warum sie gestorben war -, und die Frau mit der Knarre hatte der anderen befohlen, zu warten …
    »Na los, na los, rein mit dem Scheißding, wir müssen machen, dass wir wegkommen.«
    Als er es geschafft hatte, den Richter ins Hover zu manövrieren – er lag mit angezogenen Beinen auf der Seite -, schlug er die Türen zu, lief um das Fahrzeug herum und stieg auf der Beifahrerseite ein. Das Aleph stand zwischen den Vordersitzen. Cherry lag zusammengerollt auf dem Rücksitz unter einem großen orangenen Parka mit dem Sense/Net-Logo am Ärmel und zitterte.
    Die Frau startete die Turbine und blies das Luftkissen auf. Slick glaubte, sie würden an dem Maschinensockel festsitzen, doch als sie den Rückwärtsgang einlegte, riss ein Chromstreifen ab, und sie kamen frei. Sie wendete das Hovercraft und hielt auf das Tor zu.
    Auf dem Weg hinaus kamen sie an einen Mann mit Anzug und Krawatte in einem Tweedmantel vorbei, der sie gar nicht zu bemerken schien.
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