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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert
Autoren: Marian Keyes
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verlassen habe, aber sie hört nicht auf mich.« Doch in der Küche war nichts außer kalt gewordenem Toast, Messern mit Butter dran und anderen Frühstücksrelikten.
    »Ist was passiert? Habt ihr euch gestritten?«
    »Nein, nichts. Er hat ganz normal gefrühstückt. Porridge. Habe ich gemacht. Guck.« Sie zeigte auf eine Schüssel mit Überresten von Porridge. Nicht gerade viel. Wenigstens hätte es ihm vor Scham den Appetit verschlagen sollen.
    »Dann hat er gesagt, er wolle mit mir sprechen. Ich dachte, er wollte mir sagen, dass ich doch meinen Wintergarten haben kann. Aber stattdessen hat er gesagt, dass er nicht glücklich ist mit seinem Leben und dass er mich verlässt.«
    »Dass er nicht glücklich ist mit seinem Leben? Aber ihr seid seit fünfunddreißig Jahren verheiratet! Vielleicht steckt er in einer Midlifecrisis.«
    »Der Mann ist fast sechzig, das ist zu alt für eine Midlifecrisis.«
    Da hatte sie Recht. Dad hatte vor fünfzehn Jahren die Gelegenheit zu einer Midlifecrisis gehabt, damals hätte es niemandem etwas ausgemacht, im Gegenteil, wir hätten uns darüber gefreut, doch stattdessen sind ihm einfach nur die Haare ausgegangen, und er war weiterhin konturlos und freundlich.
    »Dann hat er sich einen Koffer geholt und Sachen reingetan.«
    »Das glaube ich dir nicht. Was hat er denn gepackt? Woher wusste er, wie man das macht?«
    Mam guckte ein bisschen verunsichert, deswegen gingen wir, um es mir – und wahrscheinlich auch ihr – zu beweisen, nach oben, und sie zeigte mir im Gästezimmer die Stelle in dem Schrank, wo der Koffer gestanden hatte. (Einer von zweien, die sie mit Benzinrabattmarken bekommen hatten.) Dann nahm sie mich mit in ihr Schlafzimmer und zeigte mir die Lücken im Kleiderschrank. Er hatte seinen Mantel, seinen Anorak und seinen guten Anzug mitgenommen. Und eine erstaunliche Anzahl von bunt gemusterten Pullovern und Hosen, die man nur als Freizeithosen beschreiben konnte, zurückgelassen. Rehbraun die Farbe, scheußlich die Form, der Schnitt und der Stoff. Ich hätte sie auch zurückgelassen.
    »Er wird sich seine restlichen Sachen holen wollen«, sagte sie.
    Da war ich mir nicht so sicher.
    »Ich fand, dass er in letzter Zeit ein bisschen zerstreut war«, sagte Mam. »Das hatte ich dir erzählt.«
    Und damals hatten wir überlegt, ob das die ersten Anzeichen von Alzheimer sein könnten. Mit einem Mal war es mir sonnenklar. Er hatte Alzheimer, natürlich. Er war nicht Herr seiner Sinne. Er fuhr irgendwo ziellos herum, in geistiger Umnachtung und überzeugt, dass er die russische Prinzessin Anastasia war. Wir mussten der Polizei Bescheid sagen.
    »Sag mir mal seine Autonummer.«
    Mam sah mich überrascht an. »Ich weiß sie nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Warum sollte ich? Ich sitze nur im Auto, ich fahre es nicht.«
    »Dann müssen wir nachgucken, ich weiß sie auch nicht.«
    »Wozu brauchen wir sie?«
    »Wir können der Polizei ja schlecht sagen, sie sollen nach einem Nissan Sunny suchen, mit einem neunundfünfzig Jahre alten Vater drin, der sich für den Letzten der Romanows hält, oder? Wo liegen die Papiere und das alles?«
    »Auf dem Regal im Esszimmer.«
    Aber bei der kurzen Suchaktion in Dads »Büro« konnte ich keine Autopapiere finden, und Mam war nicht sehr hilfreich.
    »Es ist doch ein Firmenwagen, oder?«
    »Ehm, ich glaube schon.«
    »Ich rufe mal bei seiner Arbeit an, da wird ja jemand sein, seine Sekretärin oder so, die uns was sagen kann.«
    Obwohl ich die Durchwahl zu Dads Büro wählte, wusste ich, dass er nicht abnehmen würde, dass er überall sein konnte, aber nicht bei der Arbeit. Mit der Hand über der Muschel sagte ich zu Mam, sie solle die Nummer der Polizei in Kilmacud nachgucken. Doch bevor sie aufgestanden war, hatte jemand Dads Telefon abgenommen. Dad.
    »Da-ad? Bist du das?«
    »Gemma?« Er klang misstrauisch. Das war noch nichts Ungewöhnliches, denn er antwortete mir am Telefon immer misstrauisch. Aus gutem Grund, denn ich rief ihn nur an, wenn ich sagen wollte, dass
     
    A. mein Fernseher kaputt war und ob er bitte mit dem Werkzeugkasten kommen könnte,
    B. mein Rasen gemäht werden müsste und ob er bitte mit dem Rasenmäher kommen könnte,
    C. meine Haustür gestrichen werden müsste und ob er mal mit den Planen, den Farbrollern, Pinseln und einer großen Tüte mit verschiedenen Schokoriegeln vorbeikommen könnte.
     
    »Dad, du bist ja im Büro.« Das ließ sich nicht leugnen.
    »Ja, ich …«
    »Was geht hier vor?«
    »Hör zu, ich wollte
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