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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert
Autoren: Marian Keyes
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herumzuschnipseln. Ich wollte den Pony nur ein bisschen kürzer schneiden, und dann konnte ich nicht aufhören, bis er schließlich ganz verstümmelt war.
    Manche Leute finden, dass ich ein bisschen wie Liza Minnelli in Cabaret aussehe, aber als ich im Hotel ankam, begrüßte Moses mich mit »Lebe lang und glücklich« und hielt die Hand mit gespreizten Fingern zum Vulkanier-Gruß hoch. Und als ich ihn bat, den Mann mit den Leinwänden noch mal anzurufen, sagte er ganz ernst: »Das wäre unlogisch, Captain.« Von wegen Liza Minnelli, jetzt war ich anscheinend Mr Spock aus Star Trek . (Nur nebenbei: Moses ist kein bärtiger Pensionär aus der Bibel mit staubigem Gewand und Kinderschändersandalen, sondern ein hipper Schwarzer nigerianischen Ursprungs mit scharfen Anzügen.)
    »Geh!« Andrea schob mich weiter zur Tür. »Pass gut auf dich auf, und melde dich, wenn wir was tun können.«
    Das kriegt man zu hören, wenn jemand gestorben ist. Und im nächsten Moment stand ich auf dem Parkplatz. Ein eisiger Januarwind, der einem bis in die Knochen fuhr, fegte um mich herum und machte mir bewusst, dass ich meinen Mantel im Hotel liegen gelassen hatte. Ich ging nicht zurück, es schien nicht wichtig.
    Als ich zu meinem Auto kam, pfiff ein Mann anerkennend – wegen des Autos, nicht meinetwegen. Es ist ein Toyota MR2, ein sportlicher kleiner (sehr kleiner, zum Glück bin ich nur ein Meter fünfundfünfzig) Flitzer. Ich hatte ihn nicht ausgesucht – F&F Dignan hatten darauf bestanden. Er würde mir gut stehen, einer Frau in meiner Position. Ach ja, und ihr Sohn hatte ihn mir billig verkauft. Was man so billig nennt.
    Männer reagieren sehr unterschiedlich auf das Auto – am Tage pfeifen und zwinkern sie, aber abends, wenn sie betrunken aus dem Pub kommen, sieht die Sache ganz anders aus; dann schlitzen sie das Stoffdach mit dem Taschenmesser auf oder schmeißen einen Stein durch das Seitenfenster. Sie haben noch nie versucht, das Auto zu stehlen, sie wollen es nur tödlich treffen, und so hat es mehr Zeit beim Arzt als auf der Straße verbracht. In der Hoffnung, mich mit diesen bitteren, mysteriösen Männern gut zu stellen, hatte ich einen Aufkleber auf der Heckscheibe angebracht, auf dem stand: »Mein anderes Auto, ein 89er Cortina, ist in Reparatur.« (Anton hatte ihn für mich gemacht, vielleicht hätte ich ihn entfernen sollen, als Anton ging, aber jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken.)
    Stadtauswärts, in Richtung zu meinen Eltern, war die Straße fast leer, während in der Gegenrichtung, nach Dublin hinein, dichter Verkehr floss. Als ich durch den Nebel fuhr, der wie Trockeneis um mich herum waberte, hatte ich auf der leeren Straße das Gefühl, dass dies ein Traum war.
    Vor fünf Minuten war es noch ein normaler Dienstagmorgen gewesen. Da war ich auf den Beginn einer Konferenz eingestellt. Angespannt und aufgeregt, klar – es tauchen in letzter Minute immer irgendwelche Probleme auf –, aber nichts hatte mich auf das hier vorbereitet.
    Ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten würde, wenn ich beim Haus meiner Eltern ankam. Irgendwas war nicht in Ordnung, so viel stand fest, auch wenn es nur darum ging, dass Mam ausgetickt war. Ich hielt sie nicht für den Typ, aber weiß man’s? »Er hat eine Tasche gepackt …« Schon das war so unwahrscheinlich wie dass Schweine fliegen können. Mam packt immer den Koffer für Dad, ob er nun zu einer Verkaufskonferenz oder zu einem Golfturnier fährt. Es war also klar, dass Mam sich geirrt hatte. Und das bedeutete, dass sie ausgetickt war oder dass Dad tatsächlich tot war. In der aufkommenden Panik gab ich heftig Gas.
    Ich parkte – miserabel – vor dem Haus. (Unauffällige Doppelhaushälfte, Sechzigerjahre.) Dads Auto war nicht da. Tote fahren keine Autos.
    Aber das Gefühl der Erleichterung hielt nur so lange an, bis meine Gedanken wieder am Anfang ankamen und in Panik umschlugen. Dad fuhr nie mit dem Auto zur Arbeit, er nahm immer den Bus; das fehlende Auto ließ ein sehr ungutes Gefühl in mir aufkommen.
    Noch bevor ich ausgestiegen war, machte Mam die Tür auf. Sie trug einen flauschigen, pfirsichfarbenen Morgenmantel und hatte ihren Pony auf einen orangefarbenen Lockenwickler gedreht.
    »Er hat uns verlassen!«
    Ich eilte ins Haus, Richtung Küche. Ich hatte das Bedürfnis, mich zu setzen. Mir kam der völlig verrückte Gedanke, dass Dad in der Küche sitzen und leicht amüsiert sagen würde: »Ich hab ihr schon tausendmal gesagt, dass ich euch nicht
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