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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert
Autoren: Marian Keyes
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aufregend!«
    »Mein Vater hat sie verlassen. Was soll ich tun?«
    »Oje. Ist sie das, im Hintergrund?«
    »Was? Das Gekreisch? Ja.«
    »Ist sie …? Ist das das Geräusch einer zu Bruch gehenden Aynsley-Schäferin?«
    Ich guckte um die Ecke. »Nicht ganz, ein Belleek-Milchkännchen. Was soll ich tun?«
    »Versteck das Porzellan.« Langsam wurde ihm klar, dass ich nicht auf seinen Ton eingehen würde, und er sagte – freundlich, für ihn: »Hol einen Arzt, Schätzchen.«
    In dieser Gegend ist es schwieriger, einen Arzt für einen Hausbesuch zu bekommen, als eine einzige Cashewnuss zu essen und es dabei zu belassen. (Absolut unmöglich, wie wir beide wissen.) Ich rief Mrs Foy an, Doktor Baileys permanent missgelaunte Sprechstundenhilfe – habe ich von der mal erzählt? Sie arbeitet seit vor der Sintflut bei ihm und tut immer so, als wäre der Wunsch nach einem Termin eine unverschämte Inanspruchnahme seiner Zeit. Aber ich konnte die alte Zimtzicke überzeugen, dass es sich um einen Notfall handelte; Mams hysterischer Anfall im Hintergrund war da sicherlich hilfreich.
    Eine halbe Stunde später kommt also Doktor Bailey in seinen Golfsachen und – stell dir das vor – gibt ihr eine Spritze. Ich dachte eigentlich, nur Leute in historischen Liebesromanen kriegten eine Spritze, wenn sie ein bisschen außer sich gerieten. Aber was immer da drin ist, es muss ziemlich gut sein, denn vor unseren Augen hörte Mam auf zu keuchen und sank schwer aufs Bett.
    »Haben Sie noch eine?«, fragte ich den Arzt, und der sagt: »Hahaha. Was ist passiert?«
    »Mein Vater hat uns verlassen und ist zu seiner jungen Sekretärin gezogen.«
    Ich hatte erwartet, dass der Gute schockiert wäre, aber weißt du was? Er machte ein ganz schuldbewusstes Gesicht, und ich scherze nicht, wenn ich dir sage, dass ich das Wort »Viagra« wie einen blauen Blitz durch die Luft zucken gesehen habe. Dad war vor kurzem bei ihm, da mache ich jede Wette. Er konnte gar nicht schnell genug wieder wegkommen. »Bringen Sie sie ins Bett«, sagte er. »Lassen Sie sie nicht allein. Wenn sie aufwacht …« Er nahm zwei Tabletten aus einem Röhrchen und gab sie mir. »Geben Sie ihr beide. Nur im Notfall.« Dann gab er mir ein Rezept für Beruhigungsmittel und düste wieder zum Golfplatz zurück. Die Grasbüschel zwischen seinen Spikes hat er auf dem Teppich im Flur zurückgelassen.
    Ich half Mam, sich hinzulegen – sie war ja sowieso nicht angezogen, also musste sie nicht ausgezogen werden –, zog die Vorhänge zu und legte mich neben sie, auf die Bettdecke. Ich hatte mein Nicole-Farhi-Kostüm an, und obwohl ich es nicht im Ausverkauf bekommen hatte und obwohl ich wusste, dass überall Flusen dran hängen bleiben würden, war es mir gleichgültig. So sehr war ich mit den Nerven fertig.
    Es war alles viel zu furchtbar. Du weißt doch, wie es in dieser Gegend ist – absolut niemand verlässt seine Frau. Die Leute heiraten und bleiben danach hundertsiebzig Jahre lang verheiratet. Auch wenn sie sich hassen. Obwohl es nie so aussah, als würden Mam und Dad sich hassen. Überhaupt nicht. Sie waren … du weißt schon … na ja, sie waren eben einfach verheiratet.
     
    Ich überlegte einen Moment und löschte dann den letzten Absatz. Susans Mutter war gestorben, als Susan zwei Jahre alt war, und ihr Dad hatte wieder geheiratet, als Susan zwanzig war. Die Ehe war vor ungefähr drei Jahren auseinander gegangen, und obwohl Carol nicht Susans Mutter war und Susan nicht mehr zu Hause lebte, als die Trennung sich anbahnte, hatte es sie dennoch sehr mitgenommen.
     
    Jedenfalls, ich liege in meinem guten Kostüm auf dem Bett, und die Kirchenglocken fangen mit dem mittäglichen Angelusläuten an. Hier lag ich also, in einem abgedunkelten Zimmer, neben mir meine sedierte Mutter, und es war nicht einmal Mittag. Das machte mir richtig Angst, und ich rief Andrea an, um mich zu vergewissern, dass ich nicht allein auf der Welt war. Andrea sagte zwar, dass die Leinwände für die Konferenz nicht gekommen seien, dass aber alles in Ordnung sei. Natürlich war es nicht in Ordnung – wie sollten sich die Chiropraktiker denn die krummen Wirbelsäulen ohne Leinwand angucken?
    Aber egal. Es ist ja nur normal, dass bei einer Konferenz etwas schief geht, wie viel Mühe man sich auch mit den Vorbereitungen gibt, und wenigstens war der Blumenschmuck für das Galadiner angekommen. (Wir hatten Draht um Zweige gewunden und sie so gebogen, dass sie wie Wirbelsäulen aussahen. Andreas Idee,
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