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Neue Schuhe zum Dessert

Neue Schuhe zum Dessert

Titel: Neue Schuhe zum Dessert
Autoren: Marian Keyes
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entdeckte und viel Zeit vergangen war – über ein Jahr –, kam ich zu dem Schluss, dass das Buch niemals erscheinen würde.
    »Danke für die Nachricht.«
    »Ist Noel zurückgekommen?«
    »Noch nicht.«
    Cody schnalzte mit der Zunge. »Wenn Gott eine Tür zuschlägt, dann knallt er einem eine andere ins Gesicht. Na … du weißt schon … ruf mich an, wenn du mich brauchst.« Für Cody war das ein Zeichen tiefster Anteilnahme, und ich war gerührt.
    Ich klappte mein Handy zu und sah Mam an. Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Angst. »War das dein Vater?«
    »Nein, Mam, tut mir Leid.« Der Mittwochvormittag war halb vergangen, und die Stimmung war sehr, sehr gedrückt. Mam war in einem bedauernswerten Zustand, als sie aufwachte, und als wir nach unten gingen, zum Frühstück, und an der Haustür vorbeikamen, keuchte sie entsetzt und sagte: »Jesus, Maria und Josef, die Kette war nicht vorgelegt.« Sie guckte genauer hin. »Und das Sicherheitsschloss nicht abgeschlossen.« Sie eilte in die Küche und überprüfte die hintere Tür. »Der Schlüssel in der Küchentür war nicht zweimal rumgedreht, und die Alarmanlage war nicht angestellt. Und wahrscheinlich waren die Fenster nicht gesichert!« Offenbar machte Dad einen abendlichen Routinegang, bei dem er das Haus sicherer verschloss als Fort Knox.
    »Warum hast du dich nicht darum gekümmert?«, fragte Mam. Es klang nicht vorwurfsvoll, eher verwirrt.
    »Ich wusste nicht, dass es gemacht werden muss.«
    Das verstärkte ihre Verwirrung, und nach einer Weile sagte sie: »Jetzt weißt du es aber.«
    Eigentlich wollte ich zur Arbeit gehen, aber Mam war so durcheinander und hilflos, dass ich Andrea anrief, um zu hören, wie es lief: Zu meiner Überraschung erzählte sie mir, das Essen sei »sehr unterhaltsam« gewesen und die Chiropraktiker hätten die Drähte von dem Blumenschmuck so lange hin und her gebogen, bis sie brachen, und dann gesagt: »Bandscheibenvorfall« und dergleichen. Ich glaube, sie hat sich da einen angelacht.
    Sie sagte, ich bräuchte nicht zu kommen, was höchst anständig von ihr war, denn die Aufräumaktion nach einer Konferenz ist kein Zuckerschlecken – man muss die Teilnehmer zum Flughafen verfrachten, Stühle zurückbringen, die Beleuchtung und die Leinwände abbauen (aber die Leinwände waren ja nicht gekommen, eine Aufgabe weniger also), mit dem Hotel über die Rechnung streiten etc.
    Aus Dankbarkeit erzählte ich ihr schnell, was mit Dad war. »Midlifecrisis«, sagte sie überzeugt. »Was für ein Auto hat er?«
    »Einen Nissan Sunny.«
    »Genau. Demnächst tauscht er ihn gegen einen roten Mazda MX5 ein, dann kommt er wieder zur Vernunft.«
    Ich ging zu Mam und überbrachte ihr die gute Nachricht, aber sie sagte nur: »Für rote Autos ist die Versicherung teurer, das habe ich irgendwo gelesen. Ich will, dass er nach Hause kommt.«
    Sie hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt, auf dem noch das schmutzige Geschirr vom Frühstück des Vortags stand: Schüsseln, butterbeschmierte Messer, Teetassen – schrecklich! Ich hatte die Sachen nicht weggeräumt, als ich die Scherben aufgefegt hatte, wahrscheinlich weil ich dachte, es sei Mams Bereich. Sie ist eine sehr gewissenhafte Hausfrau – wenigstens unter normalen Umständen –, doch im Moment schien sie die Unordnung gar nicht wahrzunehmen. Ich fing also an und stellte die Teller zusammen, doch als ich Dads Porridgeschüssel nehmen wollte, rief sie: »Nein«, nahm mir die Schüssel aus der Hand und hielt sie auf ihrem Schoß fest. Dann wählte sie wieder die Nummer von Dads Büro. Sie hatte ihn seit halb neun ungefähr alle fünf Minuten angerufen, und die Anrufe gingen direkt zu seiner Voicemail. Inzwischen war es halb elf.
    »Können wir zu ihm ins Büro fahren, Gemma? Bitte, ich muss ihn sehen.«
    Ihre schiere Verzweiflung war unerträglich. »Lass uns warten, bis wir mit ihm sprechen können.« Denn was wäre, wenn wir zu seiner Firma kamen und man uns nicht reinließ? Das wollte ich nicht riskieren.
    »Mam, ist es in Ordnung, wenn ich für zehn Minuten weggehe?«
    »Wo willst du hin?« Ihre Stimme klang tränenerstickt. »Lass mich nicht allein.«
    »Ich will nur schnell was einkaufen. Ich bin auch gleich wieder da, das verspreche ich. Soll ich dir was mitbringen? Eine Flasche Milch?«
    »Wozu brauchen wir Milch? Der Milchmann bringt doch die Milch, oder?«
    Ein Milchmann. Eine andere Welt.
    Ich suchte meinen Mantel, bis mir einfiel, dass ich ihn im Hotel gelassen hatte. Ich
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