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Lesereise Abu Dhabi

Lesereise Abu Dhabi

Titel: Lesereise Abu Dhabi
Autoren: Fabian Poser , Helge Sobik
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Happy Birthday, Wüsten-Wunderland
Von der Kunst, Sand auf die Reise-Weltkarte zu heben: Im Dezember 2011 feierten die Vereinigten Arabischen Emirate vierzigsten Geburtstag – und starteten in ihr fünftes Jahrzehnt
    Aus den Straßen war er verschwunden. Sie haben ihn unter dem Teer versteckt, zehnspurige Autobahnen darüberplaniert, ein Stück abseits sogar Pools hineingegraben und deren Wände mit türkisblauen Kacheln gefliest. Sie haben ihm die Fundamente immer neuer Villen, immer mehr Shoppingzentren und Hoteltürme aufgepfropft. Sie taten es in Rekordgeschwindigkeit. Und sogar Wasserleitungen haben sie vergraben, Mutterboden herangekarrt, Blümchen gepflanzt. Und jetzt ist er doch wieder da, in den Straßen, auf den Terrassen, den Autokarosserien, sogar in den Pools – als ungebetener Gast und nur für ein paar Stunden: Diesen Nachmittag kam der Sand zurück nach Abu Dhabi und nach Dubai, ein wenig später nach Sharjah und Fujairah. Alles hüllt er in einen leichten rostroten Schleier ein.
    Ein Sturm hatte ihn gebracht, hatte die Dünen der Rub-al-Khali-Wüste im Hinterland neu sortiert und den Menschen in den Metropolen an der Küste wieder mal vor Augen geführt, wo sie gebaut haben – und wo sie leben. Oder zumindest wo sie hingereist sind, um ihre Ferien zu verbringen: auf die arabische Halbinsel, in eine Gegend aus Sand – da mag der Persische Golf noch so nah sein.
    Und noch etwas hat der Sandsturm aufs Neue bewiesen: Was für eine enorme Leistung es gewesen ist, in nur etwas mehr als einer Generation Großstädte dieser Klasse aus dem Nichts zu stampfen. Denn die Metropolen hier sind, anders als manche Stadt Chinas oder Afrikas, nicht einfach nur unversehens in die Fläche gewachsen, zu improvisierten und kaum noch funktionsfähigen Molochen geworden – und plötzlich den bisherigen eigenen Maßstäben enteilt, was die Bevölkerungszahlen angeht. Hier war das anders, denn diese Städte haben ganz nebenbei Klasse entwickelt, Skylines bekommen, Gebäude mit Wow-Effekt. Hier wurden Visionen verwirklicht, und die bedeutendsten Architekten unserer Zeit haben daran mitgewirkt.
    Es lag daran, dass Geld keine Rolle gespielt hat. Es war schlicht vorhanden. Die meiste Zeit sogar im Übermaß. Das Öl hat es möglich gemacht und bewiesen: Alles kann man sich kaufen, binnen vierzig Jahren sogar die Verwandlung kleiner Handelsposten aus kaum mehr als ein paar Lehmfestungen, ein paar Kontorhäusern, wenigen Betonbauten und vielen Hütten mit Dächern und Zäunen aus Barasti-Stroh und getrockneten Palmwedeln. Wer genügend Geld investiert, kauft sich hier die Metamorphose von Dünen in Stadtparks, von Wüstenland in Grünstreifen und Parkanlagen. Es ist ein Winkel, wo das Aussehen ganzer Gegenden nur eine Frage des Preises ist.
    Denn an derselben Stelle, wo nichts als Sand war, tummeln sich heute einige der besten und luxuriösesten Hotels der Welt, arbeiten Küchenchefs von globalem Rang, unterhalten die namhaftesten Modedesigner exklusive Filialen, treten internationale Stars wie zuletzt Britney Spears und Paul McCartney auf ihren Tourneen auf. Fast nebenbei entstehen Kunstmuseen, die mit dem Louvre in Paris und dem Guggenheim-Museum in New York kooperieren – und, gegen entsprechendes Lizenzentgelt, sogar deren Namen tragen dürfen.
    Es hat sich viel getan in den ursprünglich sechs, später sieben Scheichtümern an der Südostspitze der Arabischen Halbinsel, die sich am zweiten Dezember 1971 nach dem Ende der britischen Vorherrschaft zu den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammengeschlossen haben und nun vierzigsten Geburtstag feierten: Abu Dhabi ist nicht nur das ölreichste, sondern auch das gebietsmäßig größte dieser Fürstentümer – und mit seinem Vermögen freiwillig seit Jahrzehnten Zahlmeister der wirtschaftlich Schwächeren. Fast neunzig Prozent der gemeinsamen Fläche hat es damals in den Zusammenschluss eingebracht. Die Vorherrschaft ist nicht nur deshalb sicher. Des Weiteren gehören Dubai, Sharjah, Ajman, Umm al-Qaiwain und Fujairah von Anfang an dazu – und nach gewissem Zögern trat 1972 auch Ras al-Khaimah bei, das an die omanische Exklave Musandam grenzt und über die fruchtbarsten Böden der Region verfügt.
    Entscheidend für die Staatsgründung war der Handschlag zweier Männer, die darüber in einem Zelt beraten und schließlich alte Sentimentalitäten und Animositäten vergangener Jahre im Interesse der gemeinsamen Sache beigelegt hatten. Sie saßen zusammen an einem Ort, den
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