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Babel 3 - Geisterliebe

Babel 3 - Geisterliebe

Titel: Babel 3 - Geisterliebe
Autoren: Cay Winter
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    „Das ist Tamys Ohrring“, stellte Babel überrascht fest, als sie neben Judith durch das Beleuchtungsgeschäft in der Innenstadt lief und die Augen gegen die gleißende Helligkeit der Dutzenden Glühlampen zusammenkniff.
    Doch Judith reagierte nicht, stattdessen schaute sie kritisch auf die Ware rechts und links, und dabei blinkte eine kleine, silberne Schildkröte an ihrer rechten Ohrmuschel, die noch vor kurzem Tamy gehört hatte.
    „Judith?“
    „Mein Gott, ich hab ihn mir eben geborgt.“
    „Warum?“
    „Weil er mir gefiel.“
    „Von mir borgst du dir nie etwas.“ Ein bisschen beleidigt steckte Babel die Hände in die Hosentaschen und folgte Tamy, die wenige Meter vor ihnen lief – verfolgt von einem eingeschüchterten Verkäufer, der anscheinend nicht recht wusste, was er mit dieser seltsamen Kundschaft anfangen sollte, die ihn um einen guten Kopf überragte und aussah, als könne sie ohne Probleme einen wild gewordenen Löwen bändigen. Mit bloßen Händen.
    „Sei nicht beleidigt, Babel“, schlug Judith einen versöhnlicheren Ton an.
    „Ich bin nicht beleidigt.“
    „Doch, das bist du. Es ist nur ein Ohrring.“
    „Wenn du es sagst.“
    „Was soll dieser Unterton?“
    Babel blieb stehen und betrachtete Judith mit sezierendem Blick. Im Kunstlicht glänzte ihr weißblondes Haar wie ein Heiligenschein, dabei hätte ihre Schwester nicht weiter von einer Heiligen entfernt sein können. Seit der Pleite mit dem Nekromanten – Judith weigerte sich strikt, seinen Namen zu nennen – hatte ihre übliche Ausgelassenheit allerdings einen Dämpfer erhalten.
    Eigentlich hatte Babel erwartet, dass Judith die Stadt bald wieder verlassen würde, die ihr eine solche Liebeskatastrophe beschert hatte. Stattdessen war Judith aber geblieben, und das ausgerechnet bei Tamy, der Türsteherin mit dem Rapunzelhaar – die eigentlich Babels AA-Sponsorin war.
    Babel deutete auf Tamy und sagte: „Du suchst eine Lampe mit ihr aus. Eine Lampe!“, worauf Judith die Arme verschränkte und eine Augenbraue hochzog.
    „Warum betonst du Lampe so komisch?“
    „Ich betone nicht Lampe komisch, sondern mit ihr.“
    „Mhm.“ Eindringlich musterte Judith sie und legte dann den Kopf schief. „Ich verstehe. Aber dir ist doch bewusst, dass es nur eine Lampe ist, oder? Ihr wart auch schon einmal zusammen auf dem Flohmarkt.“
    Babel wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Etwas war hier sehr merkwürdig, und sie würde schon noch herausfinden, was genau das war.
    „Wie findest du die hier?“, rief Tamy in diesem Moment und beugte sich über eine Stehlampe, deren Schirm in Form und Farbe eher einem Fliegenpilz ähnelte. Ein Zungenschnalzen war die einzige Antwort, die sie von Judith erhielt.
    Kopfschüttelnd verließ sie den Platz an Babels Seite und trat neben Tamy, die misstrauisch auf die kleinere Frau an ihrer Seite herabsah, als erwarte sie jeden Moment eine Überraschung. Babel konnte es ihr nicht verdenken. Judiths Stimmungen vorauszusagen, war in etwa so erfolgreich wie die genaue Berechnung eines Tornados. Man wusste nie, welche Idee ihr als Nächstes kommen würde, daher trat man ihr mit einer permanenten Haltung der Erwartung gegenüber. Während Judith mit dem Verkäufer debattierte, der zusehends ins Schwitzen geriet, warf Tamy Babel einen entschuldigenden Blick zu. Allerdings war Babel nicht ganz klar, wofür sich die Türsteherin entschuldigte. Irgendwie hatte sie allerdings das Gefühl, dass es nicht um Tamys schlechten Geschmack bezüglich Einrichtungsgegenständen ging.
    Sie wollte gerade zu ihnen hinübergehen, um den armen Verkäufer von Judith zu erlösen, als ihr Handy in der Jackentasche klingelte. Das Display zeigte als Anrufer die Kröte. Babels Bezeichnung für Mo. An guten Tagen.
    Mo war auch so einer, der irgendwie kleben geblieben war. Eigentlich sollte der kleine Plag nur vorübergehend bei Babels Geschäftspartner Karl einziehen, doch auch daraus waren Wochen und Monate geworden, und niemand wusste so genau, warum sich dieser Punk ausgerechnet den Dolly-Parton-liebenden, Hawaiihemden tragenden Asterixverschnitt zum Ersatzvater erwählt hatte. Doch irgendwie funktionierte auch diese Sache.
    Sie drückte auf die Verbindungstaste. „Lass mich raten, ich soll euch zum Mittagessen Döner mitbringen.“
    „Babel …“
    Die Art, wie er ihren Namen nannte, reichte, um ihr die Nackenhaare aufzustellen und ihre Magie zu aktivieren. Der Teppich unter ihren Füßen verfärbte sich dunkel. „Was
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