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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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auf.
    Johanna war klatschnass geschwitzt, als er das Schlafzimmer betrat. Ihr Kopf lag auf ihrer linken Schulter, als sei die Halsmuskulatur völlig erschlafft. Ihre Haare hingen in Strähnen herab, ihr Gesicht war nass.
    Er schüttelte sie, um sie zu wecken. Für einen Augenblick befürchtete er schon, sie sei bereits gestorben. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Er wollte mit ihr gemeinsam hinübergleiten in die andere Welt. Sie sollte sich nicht einfach so aus dem Staub machen.
    Er schlug ihr ins Gesicht. »Werd wach! Du sollst wach werden, verdammt! Du machst alles kaputt! Ich hab es so schön für uns vorbereitet!«
    Sie öffnete die Augen, sah ihn aber nicht an, sondern stierte zur Decke und dann ins Leere.
    Er hob sie aus dem Bett. Sie fühlte sich klebrig an, und er beschloss, sie vor dem Essen noch einmal mit lauwarmem Wasser zu waschen.
    »Ich hab für uns gekocht, meine Liebe. Aber vorher mache ich dich chic. Keine Angst, du musst nicht so verschwitzt bei Tisch erscheinen. Du wirst die Schönste sein. Wach auf! Dies wird der schönste und wichtigste Tag in deinem Leben. Es ist wie eine Hochzeit. Unsere Vermählung. Dein größter Verehrer nimmt dich zur Frau.«

76
    Kurz hinter Esens fing das Navi an zu spinnen. Zunächst forderte es Leon auf, zu wenden, was er natürlich nicht tat, dann schlug ihm das Navi vor, nach rechts abzubiegen, aber es gab überhaupt keine Abzweigung nach rechts, sondern nur eine nach links.
    »Och, nee«, stöhnte Tanja. »Bloß das nicht.«
    Sie schaltete das Gerät aus und wieder an. »Manchmal muss man das einfach nur neu hochladen, und dann ist alles in Ordnung«, sagte sie, aber das war ein Irrtum, denn jetzt meldete sich keine sanfte weibliche Stimme in deutscher Sprache, sondern die Anweisungen wurden auf Japanisch gegeben, und weder Leon noch Tanja konnten heraushören, ob es sich um Wegbeschreibungen oder Kochrezepte handelte. Außerdem bewegten sie sich laut Navi gerade auf Helsinki zu.
    »Ich hasse diese Dinger«, schimpfte Tanja. »Ich hasse sie! Das funktioniert nie. Nie!«
    Sie schlug mit den Fäusten gegen das Armaturenbrett. Leon hatte schon Angst, sie könne damit die Airbags auslösen.
    Er versuchte, sie zu beruhigen. »Keine Angst, ich finde Norddeich auch ohne Navi. Wir sind ja hier nicht auf dem Mond. Es gibt Straßenschilder.«
    »Ja. Norddeich vielleicht. Aber diese Scheiß-Straße …«
    »Wir können fragen. Außerdem hast du notfalls ja noch dein iPhone. Oder spinnt das jetzt auch?«

77
    Pit hatte ihr das Hochzeitskleid eigentlich noch nicht zeigen wollen. Es sollte eine letzte Überraschung werden, für den großen Moment, wenn sie ihre Liebe zu ihm entdeckte und endlich alle Widerstände aufgab, um stattdessen das Glück zu spüren, mit ihm zu verschmelzen.
    Er hatte das Kleid für vierzig Euro bei eBay ersteigert. Angeblich hatte die Braut es nie getragen, sondern sich am Tag vor der Hochzeit alles noch einmal anders überlegt und wollte jetzt den alten Plunder loswerden.
    Er hatte sofort zugegriffen.
    Vom Versand und vom Hängen im Schrank war das Kleid ein bisschen verknittert. Einige Rüschen wirkten zerquetscht und pappten zusammen, aber Johanna sah darin aus wie eine Prinzessin, fand er.
    Er hatte ihre Haare gewaschen und trockengeföhnt. Eigentlich wollte er ihr Löckchen machen. Er mochte Locken. Er hatte noch Lockenwickler und Haarfestiger von seiner Mutter da, aber die Zeit drängte.
    Sie trug jetzt weiße Seidenstrümpfe und hochhackige Schuhe. Er fand sie zum Niederknien schön.
    »Eigentlich«, sagte er, »wollte ich dir noch die Haare färben und Locken machen. Sieh mal hier, genau so wie in diesem Katalog.«
    Er zeigte ihr die Seite. Johanna sah aber nicht wirklich hin. Ihr Kopf sank wieder herab, als sei sie eingeschlafen oder ohnmächtig geworden. Dabei hatte er ihr noch gar keine Schlaftabletten eingeflößt.
    Wie werden sterben wie Romeo und Julia, dachte er, und es berührte ihn so sehr, dass Tränen in ihm aufstiegen. Er bedauerte jetzt, sich keinen schwarzen Anzug gekauft zu haben.
    Er grollte, sauer auf sich selbst: Wenn man uns hier findet, sollte ich nicht angezogen sein wie ein Penner und sie wie eine Königin. Wieso habe ich gar nicht an mich gedacht? Ich bin völlig unpassend angezogen. Ich habe mal wieder nur an die anderen gedacht. Ich selbst komme immer zuletzt, falls ich mich nicht ganz vergesse.
    Er beschloss, wenigstens ein weißes Hemd anzuziehen. Von seinem Vater waren noch ein paar Nylonhemden da. Am Kragen ein
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