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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Gefühl hatte, so nicht einfach gehen zu können.
    »Ja, die ist wohl kaputt«, sagte Leon und machte eine Geste, als würde ihn das überhaupt nicht interessieren.

72
    Johanna sah nur sehr verschwommen, wie durch dichten Nebel, der lange Schlieren zog. Dahinter war ein helles Licht, das sie blendete.
    Sie lag, und jemand fingerte an ihr herum.
    Es roch nach Desinfektionsmitteln, und zunächst glaubte sie, sich im Krankenhaus zu befinden. Aber dann höre sie Pits Stimme.
    »Du hast Glück, Josy. Oder soll ich dich lieber wieder Johanna nennen … Ich bin gut ausgebildet in Erster Hilfe. Ich bin Rettungssanitäter. Das hier habe ich allerdings nicht dort gelernt. Wir haben das in einem Survivalkurs geübt. Nicht an Menschen, sondern an Hühnern und Fischen, aber es funktioniert genauso.«
    Es gelang ihr, den Blick auf ihren rechten Arm zu fokussieren. Und jetzt hoffte sie, dass sie einen Albtraum hatte.
    Pit saß auf der Bettkante. Er hatte eine Küchenschürze an und nähte eine klaffende Wunde an ihrem Arm mit Nadel und Faden zusammen, als würde er Knöpfe an ein Hemd nähen.
    Nein, das konnte nicht wahr sein. Außerdem tat ihr ja gar nichts weh.
    Sie schüttelte den Kopf, um wach zu werden.
    »Dein größtes Glück ist, dass ich genügend Tilidin im Haus habe, sonst würdest du das gar nicht aushalten, meine Liebe. – Ich sehe, du wirst wach. Willst du noch ein paar Tropfen?«
    Sie hörte sich selbst sprechen. »Das machst du doch nicht wirklich. Das träume ich nur.«
    Er lachte und stupste mit dem Finger gegen ihre Nase, als hätte sie einen guten Witz gerissen.
    »Es wird eine kleine Narbe bleiben, mehr nicht. Zum Glück hast du dir die Scherben ja nicht ins Gesicht gehauen. Deine Schulter sieht übel aus. Ich habe sie desinfiziert. Jetzt bist du froh, dass ich uns vernünftig bevorratet habe, stimmt’s? Es ist alles da. Verbandszeug. Polyhexanidspray. Und natürlich Tili, aber davon darfst du nicht zu viel nehmen. Das Zeug macht süchtig. Hat zumindest mein verblödeter Hausarzt behauptet und mir nichts mehr verschrieben. So bin ich darauf gekommen, dass es ein Riesengeschäft ist.«
    Sie wollte ihren Arm wegziehen, aber etwas hinderte sie. Sie lag wie ein Stein im Bett und hatte keine Gewalt über ihre Muskulatur.
    »So«, sagte er und betrachtete sein Werk voller Wohlgefallen. »Das sollte halten.«
    Er machte einen Knoten und schnitt dann darüber den Faden mit der Nadel ab.
    »Ich hatte dir erst nur einen Druckverband gemacht. Ich dachte, das reicht, Aber du hast geblutet wie Sau. Ich musste das vernünftig vernähen.«
    Sie sah den Schlafzimmerschrank. Sie war also oben, im ehemaligen Schlafzimmer seiner Eltern. Sie trug das flauschige Baumwollnachthemd.
    »Wer hat mich … wie bin ich …«
    »Ja, jetzt freust du dich über das Nachthemd, stimmt’s? Du bist draußen in den Matsch geknallt. Du hast schlimm ausgesehen. Ich habe dich gewaschen und dir dieses schöne Nachthemd angezogen. Hörst du? Das ist der Trockner. Ich hab deine Klamotten in die Waschmaschine geworfen. Draußen kann man ja im Moment nichts zum Trocknen aufhängen. Der Wind reicht zwar, aber es regnet zu sehr.«
    Pit lachte wieder und tat, als sei das eine ganz normale, fröhliche Unterhaltung.
    Er fasste an ihre Stirn. »Ich glaube, du hast Fieber. Ich hol mal das Fieberthermometer.«
    Er verließ kurz den Raum.
    Johanna sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um, doch sie war intelligent genug, um zu wissen, dass sie keine Chance hatte. Dies war kein Traum, verdammt nochmal. Sondern die Wirklichkeit.
    Sie saß mit diesem Verrückten fest, der sie jetzt als seinen persönlichen Pflegefall betrachtete und ganz erpicht darauf war, alles an ihr auszuprobieren, was er gelernt hatte.
    Schon kam er mit dem Fieberthermometer zurück. Er sah spitzbübisch aus und wedelte mit dem weißen Ding vor ihrer Nase herum, wie mit einem stumpfen Messer.
    »Das hat meine Mama mir schon in den Hintern geschoben, als ich noch ein kleiner Junge war. Richtig mit Quecksilber. So etwas kann man heute gar nicht mehr kaufen. Ich mag dieses digitale Zeug nicht. Und du?«

73
    Das Lotte-Lemke-Haus machte einen gepflegten, ruhigen Eindruck. Fast erschien es Leon für einen Moment erstrebenswert, hier zu sein und sich versorgen zu lassen. Es war nur ein kurzer Gedanke, der in ihm aufblitzte wie eine ferne Sehnsucht, dass endlich alles vorbei sein möge.
    Es roch nach Rühreiern mit Speck und Kaffee.
    Leon hatte sogar einen Strauß Blumen für Frau Seidel gekauft.
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