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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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fühlte sich an der Nase herumgeführt, hereingelegt und manipuliert. Er hatte Mühe, seinen Zorn im Zaum zu halten und die Emotionen herunterzufahren.
    Er klingelte bei »Seidel«. Als niemand öffnete, legte er die Hand quer über die anderen Klingelknöpfe und drückte. Irgendjemand wird schon aufmachen, dachte er. Und genau so war es auch.
    Tanja folgte ihm ins Gebäude. Die Wohnung lag im dritten Stock.
    »Was soll das? Der ist sowieso nicht da, oder er macht nicht auf …«
    Vor der Wohnungstür im dritten Stock angekommen, schob Leon Tanja zur Seite und nahm Anlauf. Er warf sich gegen die Tür.
    Das Schloss krachte, und die Halterung im Türrahmen gab nach. Es war altes, fast morsches Holz, nur ein paar Späne hielten die Tür noch. Sie stand einen Spalt weit offen.
    Mit einem Tritt erledigte Leon auch das. Dann klopfte er sich ab, als hätte er sich bei der Arbeit schmutzig gemacht, und sagte zu Tanja: »Oh, die Tür ist kaputt. Da muss wohl vor uns ein Einbrecher hier gewesen sein. Mensch, gut, dass wir kommen. Da müssen wir später die Polizei anrufen. Komm, wir schauen mal nach, ob der auch nichts geklaut hat.«
    Kopfschüttelnd und mit einem mulmigen Gefühl folgte Tanja ihm in die Wohnung.
    »Sein Vater ist gestorben«, sagte Leon im Flur. »Das weiß ich genau. Kann sein, dass seine Mutter noch lebt. Ich meine, die war in einem Heim. Er fuhr ab und zu da hin.«
    Im Flur stand eine Kiste Cola, und obendrauf lag eine Flasche Altleher Hahnentritt.
    Leon ging in ein spießiges Wohnzimmer mit viel zu großen, klobigen Möbeln und einem Eichenschrank. Es fehlte nur der röhrende Hirsch an der Wand.
    Es gab noch einen Röhrenfernseher, 16:9, und auf dem Wohnzimmertisch stand eine aufgerissene Plastikpackung, in der mal Königsberger Klopse gewesen waren. Etwas von der Soße verklebte noch den Rand. Eine Gabel lag daneben. Pit hatte sich das Essen offensichtlich in der Mikrowelle heiß gemacht und dann beim Fernsehen aus der Verpackung gegessen.
    Der Herd in der Küche machte einen sauberen, aber unbenutzten Eindruck. Die Mikrowelle dagegen hatte hier in den letzten Monaten auf Hochtouren gearbeitet. An der Scheibe klebten von innen Soßen- und Fettspritzer.
    »Komm, lass uns gehen«, schlug Tanja vor. »Das bringt doch nichts.«
    Aber Leon wollte sich alle Räume genau anschauen, und der nächste verschlug ihm zunächst die Sprache. Er stöhnte nur gequält. An den Wänden hingen Fotos, ausgedruckt auf normalen, weißen Din-A4-Blättern. Links die Wand war voll mit Aufnahmen von Bonnie, und auf der rechten Wand, so, als sollten die beiden Frauen sich gegenseitig anlächeln, Johanna.
    All diese Fotos waren offensichtlich ohne ihr Wissen gemacht worden. Einige von außen durch die Fensterscheibe. Zum Beispiel das hier, auf dem Johanna das Nachthemd ihrer Großmutter anzog. Leon konnte sogar den Fotografen in der Spiegelung der Fensterscheibe erkennen.
    Er tippte auf das Bild: »Guck mal da …«
    Aber Tanja interessierte sich mehr für die Bilder ihrer Schwester als für die von Johanna.
    »Er ist es«, sagte sie. »Verdammt nochmal, er ist es.«
    Sie hielt sich an einer Stuhllehne fest, weil ihre Knie weich wurden.
    »Und wenn er mit ihr nicht hier ist, dann bringt er sie gerade nach Norddeich in die Ferienwohnung seiner Eltern.«
    »Die finden wir nie. Wir können doch nicht einfach durch Norddeich rennen und …«
    »Na ja, er wird wohl eher nicht im Telefonbuch stehen. Und ob sie uns beim Einwohnermeldeamt Auskunft geben, ist auch noch so eine Frage. Aber wir könnten ins Altersheim zu seiner Mutter fahren.«
    »Ja, wenn wir wüssten, in welchem sie lebt.«
    Leon zog Schubladen auf. »So ein Heim muss doch bezahlt werden, und das ist irgendwo dokumentiert. Es gibt garantiert Briefwechsel mit Ämtern und Behörden.«
    In einer Ecke des Zimmers standen auf dem Boden Aktenordner. Sie waren nicht beschriftet.
    Leon hob sie nacheinander hoch und klappte sie auf. Schon beim zweiten wurde er fündig. »Na bitte. AWO. Lotte-Lemke-Haus. Eckernfeldstr. 2 a.«
    Leon riss ein paar Fotos von der Wand und zögerte einen Moment, ob er nicht auch den Computer und den Drucker mitnehmen sollte, aber dann ließ er es.
    »Komm«, sagte er und rannte los.
    Tanja fiel es nicht leicht, sich von der Fotowand loszureißen. Für sie wurde ihre Schwester gerade auf unheimliche Weise wieder lebendig. Aber dann schaffte sie es doch, Leon zu folgen. Er wartete im Flur auf sie.
    »Was ist jetzt mit der Tür?«, fragte Tanja, die das
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