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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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bisschen durchgescheuert und nicht besonders ansehnlich, außerdem waren sie ihm am Bauch ein paar Nummern zu weit, aber trotzdem, Weiß passte gut zu ihrem Brautkleid.
    Er legte Musik auf. »If you wanna be free, be free.« Cat Stevens.
    Sein Vater hatte dieses Lied gern gehört. Er selbst hatte es immer schmalzig und dumm gefunden. Aber jetzt passte es zur Situation und rührte ihn zutiefst.
    Pit blies ihr in die Haare, so dass sie aus ihrer Stirn flogen. Dann zündete er die Kerzen an und sagte feierlich: »Jetzt wollen wir gemeinsam speisen. Es wird das letzte Mahl, das wir zwei einnehmen. Danach verlassen wir diese Welt. Wir sind beide nicht gemacht für diesen Planeten. Dort, wo wir jetzt hingehen, wird uns niemand mehr trennen.«
    Er schöpfte ein paar Löffel Fischsuppe in beide Teller und begann dann, Johanna zu füttern. Obwohl die Suppe nur noch lauwarm war, pustete er darüber, als hätte er Angst, sie sei zu heiß und Johanna könne sich den Mund damit verbrennen.
    Er führte den ersten Löffel zu ihren Lippen, und tatsächlich begann sie wie ein Kind zu saugen und zu schlucken. Es schmeckte ihr. Sie öffnete den Mund noch weiter. Ein paar Tropfen liefen an ihrem Hals herunter und benetzten das Brautkleid.
    »Ja«, sagte er, »brav. Iss nur. Das habe ich für dich gekocht. Es ist sozusagen unsere Hochzeitssuppe.«
    Johanna hustete.
    »Nicht! Schön schlucken. Alles schön drinbehalten. Ja, so machst du es gut.«
    Er schob die dicken Fisch- und Gemüsestücke zur Seite und flößte ihr nur von der Flüssigkeit ein.
    Johannas Kopf fiel in den Nacken. Mit einer Hand hielt er ihren Kopf, mit der anderen den Löffel. Sein Gesicht war ganz nah an ihrem. Es war, als würden sie miteinander verschmelzen.

78
    Ein wunderschöner Tag hatte begonnen. Der Himmel war fast wolkenfrei. Der Wind brachte eine milde Kühle, und das Unwetter der Nacht schien nur dazu da gewesen zu sein, den Gräsern und Bäumen neue Wachstumsimpulse zu geben.
    Da das Navi nur noch japanisch sprach und Straßen in Finnland anzeigte, suchte Tanja die Riffstraße auf ihrem iPhone. Sie waren schon in Norddeich, als Leon schlecht wurde. Es war erst ein leichtes Schwindelgefühl, dann ein Knirschen in den Ohren, das immer lauter wurde, so dass er Tanja nicht mehr verstand. Er sah, dass sie auf ihn einredete, aber ihre Worte drangen nicht zu ihm durch.
    Fast schlafwandlerisch steuerte er den Wagen auf den großen Parkplatz vor dem Ocean Wave. Er blieb an der geschlossenen Schranke stehen und schaffte es nicht, einen Parkschein zu ziehen.
    Ihm war eiskalt. Es kam ihm vor, als sei der Innenraum des Fiat schockgefroren worden. Seine Hände klebten am Lenkrad fest. Etwas Schweres lastete auf seiner Brust. Er bekam kaum Luft. Er fühlte sich, als sei er auf einem zugefrorenen Teich eingebrochen, und das Eiswasser lähmte jetzt seine Muskeln.
    »Hey, was willst du hier? Was sollen wir auf dem Parkplatz? Wir sind ganz nah dran! Hey, kriegst du plötzlich Schiss, oder was? Du bist kreidebleich! Atme, Mensch! Atme!«
    Tanja schlug ihm ins Gesicht, was seinen Krampf löste. Er japste nach Luft und stierte sie an.
    »Ich … ich kann nicht mehr«, hauchte er, und sie entgegnete ihm eine Spur zu patzig: »Ja, das sehe ich, verdammt! Komm, steig aus. Lass mich fahren.«
    Sie besaß keinen Führerschein, und ihre Fahrpraxis beschränkte sich auf ein paar Freifahrten Autoscooter, weil einer der Ausstellersöhne in sie verliebt gewesen war und versucht hatte, sie mit Scooterfahren zu beeindrucken.
    Hinter ihnen hupte jetzt ein Fahrer, der ungeduldig in seinem grauen Audi saß und endlich auf den Parkplatz wollte, weil er seinen Kindern versprochen hatte, sie könnten gleich das Meer sehen. Seit Duisburg hatten sie nur gequengelt, und er war kurz davor, einfach auszusteigen, seine Familie zu verlassen und sich bei der Fremdenlegion zu bewerben. Klare Spielregeln. Befehlsstrukturen, an die man sich halten musste. Das alles erschien ihm, dem alten Hippie, plötzlich sehr erstrebenswert.
    Endlich sah er ein Ventil für seinen Frust. Er drehte die Scheibe runter und brüllte: »Ja, was jetzt? Sollen wir es uns hier gemütlich machen, und ich kauf schon mal ’nen Weihnachtsbaum, oder geht’s langsam vorwärts?«
    Leon stieg aus, wankte zwei Schritte auf den Audi zu und hielt sich dann am Heck des Fiats fest. Der Familienvater sah in Leons Gesicht und wusste, dass es jetzt besser war, den Mund zu halten. Er hatte in seiner Jugend mehrere Zombiefilme gesehen. So, wie
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