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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition)
Autoren: Heinz Zwack
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hinter der Kasse noch eine Zeitung zu schnappen. ›Münchner Neueste Nachrichten‹ stand darauf, aber sonst sah sie aus wie meine vertraute ›Süddeutsche‹.
    »Damit macht es jetzt genau zwanzig Taler.«
    Ich ging zum Parkplatz, benommen von den Gedanken, die sich mir aufdrängten. Da fiel mir eine Möglichkeit ein, an die ich bisher nicht gedacht hatte: Versteckte Kamera!Ein zaghaftes Grinsen huschte über mein Gesicht. Gleich würden die Leute des TV-Teams auftauchen und mich aufklären. Ich erreichte mein Auto und lud die Waren ein – doch niemand kam.
    Ich schloss die Heckklappe – und starrte auf ein fremdartiges Nummernschild, wie es mir am Rande an den ›Oldtimern‹ aufgefallen war. Es hatte die übliche rechteckige Form, aber da waren Buchstaben und Symbole auf hellblauem Grund zu erkennen. Die Buchstaben-und-Ziffern-Kombination sagte mir nichts – SDB-AV-C-3488 – und das Symbol, die Kontur besser gesagt, die sie umhüllte, war ausgezackt und unsymmetrisch. Sie kam mir zwar irgendwie vertraut vor, ich konnte sie jedoch nicht gleich einordnen. Die Umrisse meines Geländewagens wirkten ebenfalls irgendwie fremd …
    Also wohl doch kein Fernsehstreich … Stattdessen drängte sich das Szenario wieder in den Vordergrund, das mir als SF-Liebhaber zuerst in den Sinn gekommen war. Auf einer Tafel vor meinem geistigen Auge loderte ›Parallelwelt‹ in grellroter Farbe.
    Sollte das Undenkbare wirklich Realität geworden sein, sollte mich etwas in eine andere Dimension versetzt haben, die sich in Details – Taler, ›Münchner Neueste Nachrichten‹, Nummernschilder – von meiner ›Heimatdimension‹ unterschied? Doch wo hörten die Gemeinsamkeiten auf, wo lagen die fundamentalen Unterschiede?
    Eisiger Schrecken durchzuckte mich. War ich ganz allein in jener fremden Welt? Was war aus Carol geworden? Instinktiv griff ich nach meinem Handy, tastete ›Zuhause‹ ein – aber das Display zeigte mir ›Kein Netz‹. Am Rand des Parkplatzes stand eine Rufsäule in auffälligem Gelb mit dem Symbol eines Telefonhörers darauf, doch um die zu benutzen, würde ich sicher ›Taler‹ brauchen oder jedenfalls die dazugehörigen Münzeinheiten. Heller? Pfennige?
    Nein, das hatte jetzt keinen Sinn – ich musste schleunigst nach Hause und mich selbst überzeugen. Auf der Fahrt durch die vertrauten Straßen sah ich mich jetzt bewusster um und entdeckte ein paar weitere Eigentümlichkeiten: Straßenschilder, die anders aussahen, ein Polizeifahrzeug in Blau und Weiß, die Menschen wirkten irgendwie ruhiger und besser gekleidet. Und es fuhren jede Menge Fahrräder, viel mehr, als ich sonst hier bemerkt hatte.
    Inzwischen hatte ich unsere vertraute Holperstrecke wieder erreicht, und es ging bergauf. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nicht das gewohnte Steuerrad in der Hand hatte, sondern eines mit drei Speichen statt vier, aber den Stern trug es nach wie vor in der Mitte. Auch der Rückspiegel sowie die Anzeige auf dem Monitor in der Mitte hatten sich irgendwie verändert, aber darauf konnte ich jetzt nicht achten, die Straße verlangte meine ganze Aufmerksamkeit.
    Allmählich stellte ich mich darauf ein, noch eine ganze Menge Dinge zu erkennen, die ›anders‹ waren. Hoffentlich nur im Kleinen, dachte ich.
    Die Stelle mit dem von mir zersägten Baum tauchte vor mir auf – alles sah noch genauso aus wie vor einer Stunde, auch die verwitterte Hütte war noch da. Ob es dort angefangen hatte? Ich musste an die eigentümlichen Markierungen im Innern der Hütte denken, und mein ›Science-Fiction-Modus‹ schaltete sich ein. Ob diese ›der Schlüssel zur anderen Welt‹ gewesen waren?
    Ich hielt an, schaltete den Motor ab und stieg aus. Die Schlossfragmente lagen noch auf dem Boden, wo ich sie achtlos hatte fallen lassen, und die Tür ließ sich leicht öffnen. Alles sah so aus wie vor einer Stunde. Die Markierungen am Boden waren jetzt deutlich zu erkennen – acht Rechtecke, jeweils vielleicht dreißig Zentimeter lang und fünfzehn breit, je vier rote und vier blaue nebeneinander.
    Ich ging zum Wagen zurück, stieg ein und fuhr weiter. Kurz darauf tauchte die Zufahrt zu unserem Haus vor mir auf. Wir hatten bei den Mietverhandlungen ausdrücklich verlangt – und zu meiner großen Überraschung auch durchgesetzt –, dass die letzten fünfzig Meter Holperstrecke aufgekiest wurden. Der Verwalter hatte deshalb drei Fuhren Kies liefern müssen, und jetzt sah das wirklich ordentlich aus. Unser Haus stand am Ende der
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