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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition)
Autoren: Heinz Zwack
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besondere Bewandtnis.
    Ich sagte nichts, brauchte das auch nicht, denn sie fuhr gleich fort: »Das hätte ich mir allerdings sparen können, denn ich will runter ins Dorf und sehen, ob ich frisches Gemüse kriege. Bei der Gelegenheit hole ich dann auch gleich noch einen Kasten Mineralwasser.«
    Das war mir sehr recht, auf die Weise bekam ich ein paar Stunden Zeit, mich mit der Zeitung zu befassen und vielleicht ein wenig im Internet rumzustöbern. Das sollte mir bei der Orientierung helfen und es mir leichter machen, mich zu ›outen‹. So empfand ich das mir bevorstehende Geständnis, dass ich nicht der war, der ich schien. Ich war fest entschlossen, das noch heute hinter mich zu bringen.
    Wir plauderten noch ein wenig über so wichtige Dinge wie das Wetter und Jessicas erste Erlebnisse im neuen Aushilfsjob – die hatte sie in der üblichen Ausführlichkeit bereits gemeldet. Bei einem Stück Marmorkuchen einigten wir uns dann darauf, dass Wirsing zum Abendessen eine gute Idee sein könnte, worauf Carol das Geschirr abräumte, meinte, ich würde mich ja ohnehin gleich zu meinem obligatorischen Nachmittagsnickerchen hinlegen, und verschwand. Eine Viertelstunde später hörte ich das Knirschen der Räder auf dem Kiesweg vor der Garage und wunderte mich darüber, wie leise unser Mercedes doch war.
    ***
     
    Jetzt gab es kein Halten mehr. Ich eilte förmlich in mein Arbeitszimmer und baute mich zuerst vor der Landkarte auf, die mich vorher so verblüfft hatte, nur um festzustellen, dass sich die Ländergrenzen doch ganz gewaltig verändert hatten. Insbesondere Deutschland, das sich hier nicht ›Bundesrepublik Deutschland‹, sondern ›Deutscher Bund‹ nannte, dominierte flächenmäßig. Es schloss Österreich, Teile Oberitaliens sowie große Teile Polens ein, das seinerseits weit nach Weißrussland und die Ukraine hineinragte. Das waren etwa die Grenzen vor dem Ersten Weltkrieg, durchfuhr es mich. Aber damit wollte ich mich nicht aufhalten, was mich interessierte, würde ich in Büchern und im Internet finden. Die Bücherwand wirkte, wenn überhaupt, nur wenig verändert, dem Computer allerdings schienen Tastatur und Maus abhandengekommen zu sein.
    Hilflos tastete ich zwischen den Papieren auf dem Schreibtisch herum, da vernahm ich plötzlich einen sanften Glockenton. Darauf erschien vor dem Computer die Projektion einer Tastatur, die am rechten Rand in einen grünen Lichtkreis auslief. Na schön, virtuelle Tastaturen hatte ich ›bei uns‹ auf Computermessen auch schon gesehen, damit würde ich klarkommen. Ich setzte mich und überlegte, wie ich anfangen sollte, brauchte aber nicht lange nachzudenken, denn der Bildschirm wurde hell und eine sanfte Altstimme fragte mich, ob ich mit Sprachbefehlen oder der Tastatur arbeiten wolle. »Mit Sprachbefehlen«, antwortete ich, ohne nachzudenken, worauf die Tastatur wieder verschwand.
    »Bereit«, verkündete die Stimme.
    »Nachrichten«, sagte ich aufs Geratewohl.
    Auf dem Monitor erschien eine Weltkugel. Europa war im Vordergrund zu sehen, von lichten Schleierwolken verhangen, ein Bild von einer Klarheit und Schärfe, wie ich es noch nie gesehen hatte. In der rechten oberen Ecke blinkte ein Icon, das wohl einen Satelliten versinnbildlichte, und meldete ASTRA 4 .
    Jetzt machte die Weltkugel einer Frau in einer gut geschnittenen, hellblauen Bluse Platz, und ich hörte: »Nachrichtenzusammenfassung für Montag, den zwanzigsten September: Die Feierlichkeiten zum hundertsten Gründungsjubiläum der Europäischen Föderation in der Unionshauptstadt Dresden endeten vor einer Stunde mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Marienkirche, der von Kardinal Marx, Bischof Beckstein und Ayatollah Schamir zelebriert wurde. Trotz des vorwiegend zeremoniellen Charakters der Feierlichkeiten haben die Regierungschefs unter dem Vorsitz von Föderationspräsident Gerhard Schröder einige wichtige Beschlüsse über die künftige Handelspolitik der Union, Fragen der Asteroidenforschung und der Entwicklungshilfe getroffen, die in der nächsten Parlamentssitzung und den Ausschüssen vertieft werden sollen.
    Die Waldbrände in Kalifornien wüten unvermindert weiter, die Feuerwehren des Landes und die seit vergangener Woche hinzugestoßenen Hilfskräfte aus der Nordamerikanischen Union, den Konföderierten Staaten sowie Mexikos führen einen verzweifelten Kampf gegen die Feuersbrunst, der schon mehrere Ortschaften im San Fernando Valley zum Opfer gefallen sind.
    Die Grenzstreitigkeiten zwischen
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