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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition)
Autoren: Heinz Zwack
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Kiesbahn, ganz friedlich, behäbig, eben normal. Carol arbeitete im Garten, schnippelte an den Rosen herum. Das tat sie gern, sie hatte so etwas wie den grünen Daumen.
    Jetzt würde es sich zeigen. Panische Angst schnürte mir die Kehle zu. Ob sie mich erkennen würde? Und – war sie noch dieselbe? Die Frau, mit der ich über fünfundzwanzig Jahre meines Lebens verbracht hatte, die Mutter unserer Kinder? Freundin, Geliebte, Ehefrau, Partnerin, Vertraute jeder Phase meines Lebens?
    Ich fuhr den Wagen in die Garage, schaltete den Motor ab und blieb noch einen Augenblick an der offenen Tür sitzen, schob den alles entscheidenden Augenblick hinaus.
    »Bernhard, wo bleibst du?«, rief eine in allen Nuancen vertraute Stimme, und ich sah Carol hinter mir am Garagentor stehen. Bernhard? Irgendwie klang es fremd … Ging es jetzt schon los? Sie trug eine beige Cordhose, die ich noch nie an ihr gesehen hatte – sonst trug sie immer Jeans –, und dazu eine karierte Bluse. Sie sah erwartungsvoll ins Halbdunkel der Garage. »Hoffentlich hast du einen Kasten Wasser mitgebracht, daran wollte ich dich noch erinnern, aber du hast offenbar dein Mobi nicht eingeschaltet.«
    ›Mobi‹ – seltsam, so redet doch niemand. Sie meinte wohl Handy …Ich stieg aus, stellte die Tüte mit den Einkäufen auf die Bank vor der Garage und nahm Carol in die Arme. Sie sah mich verdutzt an; wir tun das normalerweise nicht, nur zu besonderen Anlässen – aber ich war so unglaublich glücklich, sie hier vorzufinden, hier in dieser anderen Welt, dass ich sie einfach drücken musste und nicht loslassen wollte.
    »Ist was?«, fragte sie erstaunt – nach so vielen Jahren kennt man jede Regung des anderen, und sie musste spüren, dass ›etwas war‹, aber ich wehrte ab. »Nein, warum, ich freue mich einfach, dass ich wieder bei dir bin«, flachste ich und ließ sie los.
    Die erste Schwelle war also überwunden, aber es warteten noch genug Fragen und Probleme.
    »Was ist mit deinem Hemd los?«, wollte sie wissen und deutete auf den Riss, den ich mir beim Kampf mit dem umgefallenen Baum zugezogen hatte. Das war meine Chance, mich zunächst einmal zu sammeln. »Da hat der Sturm einen Baum umgeworfen, den musste ich aus dem Weg räumen, um ins Tal fahren zu können«, erklärte ich. »Ich bin total verschwitzt und gehe mal duschen und mich umziehen.«
    Charlie, unser Westhighland Terrier, der von dem Umzug ins Voralpenland begeistert war, lag neben dem Eingang und genoss die Vormittagssonne. Er ließ sich Zeit mit der Begrüßung, erhob sich träge, streckte sich behäbig und kam dann auf mich zugetrottet. Vielleicht zwei Meter vor mir blieb erstehen, und anstatt mich erfreut anzuspringen und mich zu begrüßen, verhielt er, musterte mich argwöhnisch und seine Schnauze kräuselte sich leicht. Bei einem Hund ist das ein untrügliches Zeichen des Unbehagens – und ebensolches beschlich auch mich. Charlies Instinkt schien ihm zu sagen, dass da was nicht stimmte, dass ich offenbar nicht der war, für den er mich ursprünglich gehalten hatte.
    Ich musste an die Odyssee denken und den nach zehn Jahren der Irrfahrt heimkehrenden Helden, den sein Hund als Einziger sofort erkannt hatte … Wie würde Carol auf mich reagieren, wenn wir uns näher waren? Charlie kam vorsichtig und mit gesträubter Rute näher. Ob er zuschnappen würde? Terrier sind tapfere Kämpfer, und so klein er war, flößten mir seine Zähne durchaus Respekt ein. Aber als er auf Schnüffeldistanz war, schien sich sein Argwohn zu legen und er kam näher und ließ sich am Hals kraulen. Gnädig, wie mir schien, nicht erfreut wie sonst. Aber die Hürde war jedenfalls – in gewissem Maße – genommen.
    Als ich in mein Arbeitszimmer kam, um dort meinen Tascheninhalt vor dem Umziehen zu deponieren, kam der nächste Schock. Die Landkarte! Ich war schon immer Kartenfan gewesen und hatte deshalb eine politische Weltkarte aufgeblockt an der Wand hängen und auf ihr mit Nadeln meine vielen beruflichen und auch unsere gemeinsamen privaten Reisen in alle Welt markiert.
    Doch wie sah die aus!
    Am auffälligsten waren die USA – besser gesagt, was davon übrig geblieben war. Offenbar war in dieser Welt die politische Entwicklung anders verlaufen, und was ich als USA kannte, bestand aus drei Territorien, dem Norden, dem Süden und dem Westen – und das in Konturen, die einiger Überlegung bedurften, um sie mit den mir bekannten Bundesstaaten in Deckung zu bringen.
    Der Ferne Osten zeigte ein farblich
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