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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition)
Autoren: Heinz Zwack
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Semmeln«, verkündete ich großmütig, ging in die Garage und setzte mich in den Wagen.
    Etwa einen Kilometer hügelabwärts von unserem Haus steht eine alte Forsthütte, an der wir immer vorbeifahren, wenn uns ein Einkaufstrip ins Tal führt. Eine ganz normale alte Hütte ist das, aus Brettern zusammengenagelt, von Wind und Wetter grau ausgelaugt und mit einem ganz normalen Vorhängeschloss an der Tür, um ihren Inhalt – vermutlich Werkzeug aller Art – vor dem Zugriff unliebsamer Elemente zu schützen.
    Keine hundert Meter nach besagter Hütte hatte der Sturm einen Baum über die Straße geworfen, ein unüberwindliches Hindernis für meinen SUV. Und natürlich wieder mal kein Netz – also steckte ich das Handy, mit dem ich Hilfe beim Forstamt anfordern wollte, wieder in die Tasche.
    Die Hütte! Bestimmt gab es dort eine Säge, also würde ich mir selbst helfen können. Dass ich dazu das Schloss aufbrechen musste, würde mir der Förster sicherlich nachsehen, ich würde es ihm ja vom Tal aus sofort melden …
    Im Inneren der Hütte roch es muffig, vermutlich war ich der erste Besucher seit Jahren, schließlich führen Forstarbeiter ihr Werkzeug ja meist mit sich. Auf dem Boden befanden sich seltsame Markierungen, die man aber in dem in der Hütte herrschenden Zwielicht nicht richtig erkennen konnte – doch das beschäftigte mich nicht weiter. Ich brauchte jetzt eine Säge oder … da lehnte ja schon eine an der Wand.
    Plötzlich wurde mir schwarz vor den Augen, offenbar war ich zu schnell aus dem Wagen gestiegen, und mein Kreislauf machte da irgendwie nicht mit. Ich verspürte einen heftigen Stoß an der Stirn – Zinedine Sidane , durchzuckte es mich, und in diesem Augenblick erinnerte ich mich des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft 2008 –, etwas berührte mich in der Hüftgegend, dann war die Benommenheit auch schon wieder vorbei. Da war bloß noch ein leichtes Prickeln, das aber schnell aufhörte.
    Ich schnappte mir die Säge, ging vor mich hin schimpfend auf das Hindernis auf der Straße zu und machte mich daran, ein etwa der Breite meines Wagens entsprechendes Stück herauszusägen. Gar kein so einfaches Unterfangen für einen Schreibtischtäter mit zwei linken Händen, aber nach ein paar ungeschickten Ansätzen, einem Holzspreißel im Handrücken und einem Fetzen, den mir ein übersehener Ast aus dem Hemd riss, war die Strapaze geschafft. Ich setzte meine Fahrt Richtung Tal mit dem Ziel Unterwössen fort, rollte auf der vertrauten Holperstrecke talwärts, passierte das Ortseingangsschild und lenkte knapp fünfhundert Meter dahinter … Moment mal: weiß mit blauem Rand und schwarzer Schrift? – Ach Unsinn! Du siehst wohl weiße Mäuse! Ich schüttelte den Kopf und bog in die Straße zum Aldi ein.
    Die Autos vor dem Supermarkt ließen mich wieder kurz stutzen, sie wirkten alle irgendwie … anders … antiquiert. Ein Oldtimertreffen? Hier? Die Nummernschilder waren fremdartig. Doch das nahm ich auf der Suche nach einem Parkplatz eher beiläufig wahr; schließlich fand ich einen.
    Ich schnappte mir einen Einkaufswagen und begann die Reise durch die Gänge, sammelte Wurst, Käse, Obst und frisches Brot ein und ging zur Kasse.
    Vanessa, die Kassiererin, hatte sich eine andere Frisur zugelegt, irgendwie strenger wirkte die, und ein paar Kilo abgenommen hatte sie auch, was ihrem Aussehen durchaus zugutekam, zumal die Gewichtsabnahme sich offenbar auf den Hüftbereich beschränkte.
    »Siebzehn fünfzig, Herr Lukas«, strahlte sie mich an.
    Ich hielt ihr einen Zwanziger hin.
    Vanessas Augen wurden groß und rund. »Was ist das denn für komisches Geld?«
    Perplex schaute ich auf den Zwanzig-Euro-Schein. Der war doch ganz normal. Was zum Kuckuck ging hier vor? Mir wurde allmählich unheimlich, aber in einem hinteren Winkel meines Bewusstseins regte sich eine dumpfe Ahnung. Handlungszüge aus Philip K. Dicks ›Orakel vom Berge‹, das ich einmal übersetzt hatte, und Frederic Browns ›Das andere Universum‹ huschten an mir vorbei und mich überlief ein kalter Schauder.
    »Sie waren wohl wieder mal auf Auslandsreise und haben noch nicht umgetauscht«, meinte Vanessa. »Aber macht nichts, ich helfe Ihnen aus.«
    Sie würde das aus ihrer Tasche tun, das wusste ich, denn Aldi gab keinen Kredit. Doch hatte ich ihr schon manches Mal einen Fünfer zugesteckt, wenn sie mir beim Einkaufen geholfen hatte, und deshalb nahm ich das Angebot ohne schlechtes Gewissen an, versäumte aber nicht, mir von dem Gestell
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