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Kuehe essen Wiese auf

Kuehe essen Wiese auf

Titel: Kuehe essen Wiese auf
Autoren: Rosi Fellner , Margit Schoenberger
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Über die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Lande
    Als ich noch so klein war, dass mir alle anderen groß vorkamen, waren Großmütter noch alt. Die meine roch nach Kernseife, Milch und in der Sonne getrockneter Wäsche. Ihre Hände waren immer warm und wenn sie mich an der Hand nahm, spürte ich, dass die ihre innen rau war.
    Ich mochte es, neben ihr zu gehen, weil sie als einziger Erwachsener ihr Tempo meinen kleinen Schritten anpasste. Das kam von ihren schmerzenden, fest bandagierten Beinen. Mit schwerem, leicht schlurfendem Gang durchmaß sie die große Stube, die Küche und Wohnraum zugleich war. In dieser Stube waren mein Vater und seine neun Geschwister groß geworden. Sommer wie Winter musste Holz für den großen Feuerherd hereingetragen werden, ein Herd, in dem die Glut fast nie ausging.
    Das Holz wurde an der Außenwand des Hauses bis auf Fensterhöhe geschichtet sowie an der gegenüberliegenden Seite in wunderschönen, mannshohen, kegelförmigen Gebilden. Diese Holzstapel waren die ersten architektonischen Wunderwerke, die ich in meinem Leben staunend wahrnahm. Rund und glatt – kein noch so kleines Hölzchen stand weiter vor als die anderen – hielten diese Meisterwerke der Statik vor dem Lattenzaun des Gemüsegartens Wache. Auf der anderen Seite des Hauses war das Wied gestapelt. Getrocknete Zweige, die im nahen Wald gesammelt, von Großvater zu Reisigbündeln geschnürt und auf dem Hackstock links und rechts mit der Axt auf gleiche Länge behauen wurden.
    Wenn Großmutter Feuer machte, hockte ich mit großen Augen neben ihr vor dem Herd und sah ihr hochkonzentriert zu. Manchmal blies sie mehrmals kräftig in die Glut, während sie bleistiftdünne Späne darauf legte. Die machte mein Großvater mit dem Holzmesser. Hierfür klemmte er sich besonders trockene Scheite zwischen die Oberschenkel, setzte das Holzmesser oben an und zog es Richtung Körper langsam durch das Holz. Das gab ein schönes, leise splitterndes Geräusch. Großvater wurde gerühmt für seine Gabe, besonders dünne, leicht feuerfangende Späne zu fertigen. Sie wurden unter dem Herd griffbereit aufgeschichtet und er sorgte dafür, dass sie nie ausgingen. War keine Glut mehr im Herd, holte Großmutter eine Handvoll Heu aus dem Stadel und zündete es vor dem Ofenloch an, noch während sie es in der Hand hielt. Unter kräftigem Pusten kam es in den Herd, Späne darauf und ein wenig später, wenn alles aufloderte, das Wied. Ich freute mich schon immer auf das geheimnisvolle Knistern und Knacken des Wieds. Auf meine Frage, was diese Geräusche zu bedeuten hätten, sagte Großmutter, dass das Holz sich was erzähle. Von schönen Sonnentagen, als der Baum noch gewachsen ist. Und dass das Feuer deshalb Wärme mache, weil die Sonne von damals beim Brennen wieder herauskäme.
    Besonders stolz war ich, wenn ich den Auftrag bekam: »Dirndl, hol Scheitel!« Die schleppte ich dann einzeln und mit übertriebenem Geschnaufe von draußen heran und lud sie vor dem Ofen ab. Dann wurde ich gelobt, wie gescheit ich sei und wie stark. Und ich ahmte Großmutter nach, indem ich meine Hände klatschend aneinander sauber klopfte.
    War das Herdfeuer in Gang gekommen, musste das Schiff kontrolliert und eventuell aufgefüllt werden. Wie der im Herd versenkte Wasserbehälter zu seinem Namen »Schiff« kam, konnte mir nie jemand erklären. Wenn später die Rede darauf kam, weshalb sich so viele Österreicher und Bayern freiwillig zur Marine meldeten, hatte ich jedenfalls immer eine Erklärung parat: In jedem unserer Haushalte gab es ein Schiff.
    Das Schiff war der einzige Heißwasserspender im Haus. Für die Morgen- und Abendwäsche wurde eine der langen Bänke vom Tisch zum Herd getragen und mit einer Waschschüssel – Lavoir genannt (Napoleon hat auch auf dem tiefsten Land zumindest sprachliche Spuren hinterlassen) – bestückt. Das heiße Wasser aus dem Schiff wurde mit einer Kanne kaltem Wasser auf die richtige Waschtemperatur gebracht. Jeder, der sich des Wassers bedient hatte, leerte seine Schüssel mit dem gebrauchten Wasser vor dem Haus, machte sie unter der Schwengelwasserpumpe auf dem Hof sauber und füllte für den Nächsten auch die Kaltwasserkanne wieder auf. Wir Kinder wurden in eine etwas größere, runde Blechwanne gestellt – die auch am Großwaschtag zum Einsatz kam –, von oben bis unten eingeseift und dann abgespült. Aber nicht jeden Tag. Üblicherweise wurde waschmäßig auf Hals, Ohren, Arme, Beine und Füße geachtet – alles andere
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