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Kuehe essen Wiese auf

Kuehe essen Wiese auf

Titel: Kuehe essen Wiese auf
Autoren: Rosi Fellner , Margit Schoenberger
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Ährenhalme auf und fügten sie zu gleichmäßig dicken Bündeln, die sie mit großer Geschicklichkeit verschnürten. Jeweils vier oder fünf – je nach Gegend, die Anzahl war so etwas wie ein Markenzeichen der Gemeinde oder des Hofes – wurden zu sogenannten »Mandln« zusammengestellt. Nach ein paar Tagen Trockenzeit wurden sie eingefahren. Die großen Erntewagen, von zwei Pferden gezogen, wurden so geschickt beladen, dass dabei möglichst wenig Körner aus den Ähren fielen. Die Männer luden die Getreidegarben mit großen Heugabeln auf und stemmten sie zu zweit zu auf dem Wagen stehenden Frauen hinauf, die sie mit großer logistischer Geschicklichkeit sorgfältig aufschichteten. Ich saß auf dem hinteren Achsenstück des Wagens und hatte – wie man mir mehrmals am Tag lachend versicherte – das Wichtigste dabei, das die Männer und Frauen für diese anstrengende Arbeit brauchten: den Mostkrug. Mit der einen Hand hielt ich mich an den Holzsprossen des Wagens fest, mit der anderen balancierte ich geschickt den riesigen Zweiliter-Steingutkrug, damit auch ja kein kostbarer Tropfen verschüttet wurde. Keine geringe Leistung für ein kleines Mädchen – die Fahrt ging über unebenen Boden, die Rösser ruckten, zogen an und hielten abrupt ... Aber ich war mit großem Ernst bei der Sache und mir meiner Bedeutung als Flüssigkeitskeitsspenderin bewusst.
    Mit dem Einfahren der hochbeladenen Erntewagen in die Tenne war die kindliche Freude noch lange nicht vorbei, denn jetzt kam der nicht minder spannende Tag des Dreschens. Das mühsame Ausdreschen der Getreidekörner mit dem Dreschflegel war auch damals schon vorbei. Die Gemeinden hatten sich längst gemeinschaftlich genutzte Dreschmaschinen angeschafft, die jeden Tag auf einen anderen Hof kamen. Da halfen alle Leute von allen Höfen zusammen, damit das Ganze jeweils an einem Tag »über die Tenne« gehen konnte. Der Dreschtag war die große Stunde der Frauen. An diesem Tag mussten und konnten sie ihre Kochkünste beweisen und auch ihr Organisationstalent. Es wurden Gerichte gekocht, die relativ schnell gingen – es mussten ja alle mitarbeiten und konnten nicht stundenlang in der Küche stehen. Ich erinnere mich vor allem noch an die süßen Sachen – das gekochte Rindfleisch, die kalten Schweinebraten und Ähnliches haben mich weniger beeindruckt. Aber die Zwetschgenbuchteln, das Schmalzgebackene und vor allem die Zwetschgenbovesen, die habe ich noch in guter Erinnerung. Es ist keine Kunst, zwei dünne Weißbrotscheiben mit Zwetschgenmarmelade zu bestreichen, zusammenzuklappen, in Pfannkuchenteig zu tauchen und auszubacken. Aber bitte nicht mit einfacher Zwetschgenmarmelade – es muss schon das ungesüßte Powidl sein, die zu Mus verkochten Zwetschgen, so wie es sich die Frauen von den tschechischen und slowakischen Köchinnen abgeschaut haben. Ganz vernarrt war ich auch in »gebackene Mäuse«, die aus Hefeteig mit vielen Rosinen gemacht und in Schmalz ausgebacken wurden.
    Alle diese wunderbaren Köstlichkeiten ließen einen vollkommen die flirrende Augusthitze vergessen, den Maschinenlärm, den Staub, der sich an Hals, Armen und Beinen mit dem Schweiß vermischte und alle bald aussehen ließ wie gefleckte Ferkel. Mit einer gebackenen Maus in der linken und einer in der rechten Hand spürte ich als Kind auch nicht den herumfliegenden Strohhäcksel und auch nicht die Ährenspleißen, die den Dreschtag für die Erwachsenen zu einer einzigen juckenden Plage werden ließen.
    Um bei den ländlichen Gaumenfreuden aus meiner Kindheit zu bleiben: Unübertroffen war die Köstlichkeit, die meine Großmutter aus grünen Äpfeln zauberte. Wenn sie ihren braunen geflochtenen Reisig-Henkelkorb holte und sagte: »Dirndl, jetzt gehen wir Äpfel klauben«, dann wusste ich, dass es so weit war: Die Zimtsache würde auf den Tisch kommen! Wir sammelten heruntergefallene, grasgrüne unreife Äpfel auf der Apfelbaumwiese, während es ganz nebenbei noch ein bisschen Botanikunterricht gab. Ich lernte den gelben Scharfen Hahnenfuß, die blaue Kornrade und die Wegwarte kennen, den weißen Schierling, die Glockenblume und die Margerite, den roten Klatschmohn, die hellblauen Rührmichnichtan (weil es sonst regnen wird), den Löwenzahn, den Sauerampfer und den Frauenmantel, der vormittags immer eine Wasserperle in der Blattmitte trug, und viele andere mehr. Und zu jeder noch so kleinen Pflanze gab es eine Geschichte und den Hinweis, dass man sie nicht pflücken darf, weil sie auf die Wiese
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