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Kuehe essen Wiese auf

Kuehe essen Wiese auf

Titel: Kuehe essen Wiese auf
Autoren: Rosi Fellner , Margit Schoenberger
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Großmutter ins Haus verzog. Ich half ihr bei den Nudeln. Sie wurden mit dem Messer aus einem dünn ausgewalzten Teig geschnitten und an Holzstangen, die über dem Ofen angebracht waren, zum Trocknen aufgehängt.
    Besonders gern mochte ich als Kind den Geruch im Kuhstall. Da herrschten eine wohlige, milchige Wärme und beruhigende Geräusche. Ein leises Klirren von den Ketten, an denen die Tiere angeschirrt waren, dumpfe Klauentritte auf den Bohlenbrettern unterm Stroh, das Schwanzschlagen der Tiere nach den Fliegen, vereinzeltes gedämpftes Muhen, das nur vor der Fütterung zum Kanon anschwoll, ein gleichmäßiges Malmen, wenn die großen, gutmütigen Tiere das Grünfutter mit ihren langen Zungen in ihre feucht glänzenden Mäuler zogen. Damals gab es noch keine Melkmaschinen. Die Frauen saßen beim Melken auf dreibeinigen Melkschemeln, die kopftuchbedeckte Stirn gegen die Flanke der Kuh gepresst. Mit geheimnisvollen, halb stoßenden, halb ziehenden Handbewegungen molken sie feine, scharfe Strahlen von Milch in fast musikalischem Rhythmus sirrend in die Eimer. Meist waren mehrere Melkerinnen am Werk, das klang wie ein kleines Orchester.
    Damals durfte ich mit einem Schöpflöffel kuhwarme Milch aus dem Melkeimer trinken und konnte gar nicht genug davon bekommen. Großmutter wischte das unvermeidliche Milchschnurrbärtchen dann mit dem Schürzenzipfel ab. Heute, so habe ich mehrfach gelesen und gehört, würden Kinder diese Milch gar nicht mehr vertragen. Ihr Verdauungsapparat ist sozusagen von Kopf bis Fuß auf H-Milch eingestellt. Gott sei Dank wissen sie nicht, was ihnen entgeht.
    Der größte Teil der Milch wurde in Molkereikannen abgefüllt, aber ein kleiner Rest wurde übrig behalten. Für die Katzen und den morgendlichen Malzkaffee (von meinem Großvater abfällig Kathreiner-Gschlader genannt), aber vor allem fürs Entrahmen und Buttermachen. Bei Letzterem fiel mir eine im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Rolle zu, und ich konnte es immer kaum erwarten, bis es wieder so weit war. Das in der bäuerlichen Literatur so oft zitierte Butterfass (in dem der Rahm gestoßen wurde) war bei uns ein viereckiger Butterkasten, aus dem seitlich eine Kurbel ragte. An dieser Kurbel waren im Inneren des Kastens Holzblätter, Windmühlenflügeln ähnlich, angebracht. Den Deckel konnte man abnehmen, um den Rahm einzufüllen. Dann wurde zugemacht und ich setzte mich obendrauf. Großmutter fing an, die Kurbel zu drehen. Während es zunächst unter mir noch plätscherte und gluckste, begann es im Laufe der Zeit immer mehr zu rumpeln. Dann war der Rahm zu Butter geschlagen. Großmutter wusste genau, wann es so weit war und spürte es wohl auch in ihrem Arm. Nun durfte ich meinen Hochsitz verlassen. Der Deckel wurde geöffnet und wir sammelten die goldgelben Butterbrocken ein, an denen noch Wasser perlte. Großmutter formte sie auf einem weißen Emailleteller mit blauem Rand zu einer Halbkugel und strich sie mit einem Messer glatt. Zu guter Letzt drückte sie mit der Spitze eines Suppenlöffels ein schönes Muster hinein. Die übrig gebliebene Buttermilch wurde in einen blaugrauen Steingutkrug gefüllt und in der Speisekammer kalt gestellt. Dann bekam ich zur Belohnung ein frisches Butterbrot mit Schnittlauch. Ein ganz besonderes Festmahl war es, wenn das Brot frisch aus dem Backofen kam und noch warm war.
    Gut erinnere ich mich auch noch an die Getreideernte. Damals gab es noch nicht diese Riesenmaschinen, die alle Arbeitsgänge des Erntens in einem erledigten. Die Getreidefelder wurden von Schnittern gemäht, die gleichmäßig nebeneinander ihre Bahnen zogen. Ab und zu blieb einer von ihnen stehen, holte den Wetzstein aus seinem umgeschnallten, mit Wasser gefüllten Kuhhorn und machte die Sense wieder scharf. Dieses Wetzen geschah mit beeindruckender Virtuosität und harmonischer Schnelligkeit – wie die perfekte Handhabung eines Instruments. Der Vorgang hatte in meinen Kinderohren durchaus auch etwas Melodisches an sich und ich bewunderte die Männer, wie sie so ohne Angst an der scharfen Schneide hantierten.
    Ebenso fasziniert verfolgte ich das abendliche Dengeln. Nach dem Abendessen nahm sich der Bauer oder der Großknecht alle Sensen vor und klopfte mit einem Hammer die Unebenheiten und Dellen heraus, sodass sie am nächsten Morgen wieder »Schneid« hatten. Manchmal waren sie zu zweit und hämmerten versetzt in kunstvollen Rhythmen.
    Hinter den Bahnen der Schnitter gingen die Frauen her, sammelten die gemähten
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