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Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)

Titel: Verbannt zwischen Schatten und Licht (German Edition)
Autoren: Kira Gembri
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1. Kapitel
     
    Die
Farbe seiner Augen konnte ich zunächst nicht erkennen, so schmal waren sie; es
sah aus, als würde er direkt in das gleißendste Sonnenlicht blicken.
    Jinxy
packte mich am Arm und kniff ein Stück meiner Haut zwischen ihren Fingern
zusammen. „Lily, Schlafzimmerblick auf drei Uhr!“, zischte sie in mein Ohr.
    Ich
wischte mir über die Wange. „Ja, danke, ich habe es gesehen!“, murmelte ich
peinlich berührt und versuchte mich aus ihrer Umklammerung zu befreien. Jinxys
Flüstern war meistens laut genug, um bis ans andere Ende einer Turnhalle zu
schallen. Meine Erleichterung darüber, den ersten Tag hier nicht alleine
überstehen zu müssen, verflüchtigte sich zusehends – meine beste Freundin war
bei aller Liebe kein sehr feinfühliger Mensch, und mit ihr an meiner Seite
würde ich bald die Aufmerksamkeit der ganzen Schule auf mich gezogen haben. Was
für mich wirklich übel war. Nachdem Jinxy die ersten Peinlichkeiten vom Stapel
gelassen und einige Leute gegen sich aufgebracht hatte, begriffen die meisten
für gewöhnlich rasch, dass man sie einfach gernhaben musste. Sie zwang einen
gewissermaßen dazu, während sie auf dem Weg zum Image des allseits beliebten
Klassenclowns kein Fettnäpfchen ausließ. Unglücklicherweise geriet ich als ihre
ständige Begleiterin ebenfalls in den Lichtkreis des allgemeinen Interesses,
und meine Peinlichkeiten waren weniger liebenswert. Sie waren einfach nur
peinlich.
    Es
war nicht etwa so, dass ich mich bloß ein wenig tollpatschig benahm. Natürlich
goss ich mir Saft über den Rock, kurz bevor wir zum Schulfotografen gerufen
wurden, und natürlich war ich schon einmal auf einer Bananenschale ausgerutscht
und hatte mir das Bein gebrochen. (Ja, richtig verstanden: auf einer
Bananenschale. So etwas passiert nicht nur in Cartoons.) Mir stießen aber auch
immer wieder Dinge zu, auf die ich gar keinen Einfluss hatte; und obwohl meine
Freundin streng genommen ebenfalls nichts für mein Pechvogeldasein konnte,
nannte ich sie seit unserem ersten Zusammentreffen vor sechs Jahren „Jinxy“,
meine Unglücksbringerin: Sie schaffte es, dass keines meiner Missgeschicke von
den anderen unbemerkt blieb.
    Gerade
jetzt war es ihr gelungen, den Jungen mit dem „Schlafzimmerblick“ auf uns
aufmerksam zu machen. Als hätte er jedes ihrer Worte verstanden – und
vermutlich war das auch so – wandte er sich halb zu uns um. Für einen Moment
zuckte sein rechter Mundwinkel in die Höhe, wobei ein Grübchen in seiner Wange
erschien; dann hatte er sein Gesicht wieder unter Kontrolle. Nach einem kurzen
unbeteiligten Blick (seine Augen waren übrigens dunkelbraun) drehte er sich
wieder zurück.
    Großartig!
Wie es aussah, gab es zwei neue Witzfiguren an der Schule. Dabei hatte ich mich
so sehr darauf gefreut, dieses Image endlich loszuwerden! Die Galilei High war eine
Elite-Anstalt, und irgendwie hatte ich gehofft, dass Jinxy sich nach Eintritt
in diese heiligen Hallen wie durch Zauberhand in eine strebsame, zurückhaltende
Person verwandeln würde. Nun ja, in eine Person wie mich, genauer gesagt. Dabei
hätte schon ihre Kleidung genügen müssen, um mich eines Besseren zu belehren.
Bestimmt würden bei ihrem Anblick viele Lehrer bereuen, sich nicht vehementer
gegen die Abschaffung der Schuluniformen zur Wehr gesetzt zu haben:
    Zu
ihren bunt bepinselten Doc Martens-Stiefeln und ihren geflickten Jeans trug
Jinxy heute ein Flanellhemd, das über und über mit grinsenden Affengesichtern
bedruckt war und das ich stark in Verdacht hatte, ein Pyjamaoberteil zu sein.
Ihre hellblonden Haare hatte sie zu sieben wippenden Zöpfen geflochten, und an
ihren Ohrläppchen baumelten ein Donut und ein Muffin aus Plastik. Schon in
unserer alten Schule war sie für ihren Modegeschmack berühmt gewesen; doch
hier, wo die meisten so angezogen waren, als wären sie auf dem Weg zum
Golfplatz, würde meine Freundin auffallen wie ein bunter Hund.
    Als
wir die Turnhalle verließen, wo uns der Schulleiter begrüßt hatte, war es auch
leicht, den dunkel gekleideten „Mr Schlafzimmerblick“ zwischen all den
pastellfarbenen Blusen und Polohemden im Auge zu behalten. Jinxy drängte sich
rücksichtslos an den anderen Schülern vorbei und schleppte mich dabei hinter
sich her. Auf diese Weise gelang es ihr tatsächlich, in der Schlange vor dem
Hauptgebäude einen Platz ganz dicht bei dem Jungen zu ergattern.
    Ich
senkte den Kopf und versuchte mich hinter meinem glatten kastanienbraunen Haar
zu verstecken –
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