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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition)
Autoren: Heinz Zwack
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Sibirien und Kasachstan halten an, den Friedenstruppen des Völkerbundes ist es bisher noch nicht gelungen, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Der Generalsekretär des Völkerbundes hat den beiden Regierungen bereits eine scharfe Protestnote zustellen lassen und mit Sanktionen gedroht. Ein Bataillon Friedenshüter wurde auf dem Ligastützpunkt in Port Darwin, Australien, in Alarmbereitschaft versetzt.
    An der Europabörse in Frankfurt konnte der EAX den Stand vom Vortag knapp behaupten, er fiel nur um null Komma fünf Punkte. Verlierer sind die Energie- und Automobilwerte, während bei den Versicherungswerten ein leichter Anstieg zu verzeichnen war.
    Zu der für den 5. Dezember geplanten Feier zum 50. Thronjubiläum von Kaiser Franz Wilhelm II. haben inzwischen sämtliche gekrönten Häupter der Welt einschließlich des japanischen Kaisers Akihito und seiner Gemahlin Michiko zugesagt. Dies wird die erste Auslandsreise des japanischen Kaiserpaars seit dem Wiedereintritt Japans in den Völkerbund sein.
    So weit die Zusammenfassung für den heutigen Montag. Falls weitere Informationen gewünscht werden, nennen Sie bitte das entsprechende Stichwort, andernfalls schaltet das Gerät in zehn Sekunden ab.«
    Ich wollte die Zeit bis zu Carols Rückkehr nutzen und beschloss daher, mir weitere Informationen aus der Zeitung zu besorgen. Zu diesem Zweck begab ich mich auf die Terrasse und nahm mir die ›Münchner Neueste Nachrichten‹ vor. Aus Erzählungen meines Vaters erinnerte ich mich dunkel daran, dass ›meine Süddeutsche‹ bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs auch so geheißen hatte.
    ***
     
    Etwa eine Stunde später legte ich das Blatt beiseite. Mir rauchte zwar der Kopf, aber ich bildete mir ein, jetzt ein einigermaßen klares Bild von der Lage zu haben.
    Der Deutsche Bund schien die führende Nation in der Europäischen Föderation und diese wiederum das tonangebende Staatengebilde in der Welt zu sein. Dieser Deutsche Bund schloss in etwa ›meine‹ Bundesrepublik, Österreich, Teile Tschechiens und Polens ein, also nahezu alle Teilgebiete, die vor dem Ersten Weltkrieg das Deutsche Reich und Teile des Habsburger Reiches umfasst hatten, und war in zwei Teilregionen geteilt, die sich Norddeutscher Bund und Süddeutscher Bund nannten. Die Europäische Föderation umfasste praktisch ganz Europa mit Ausnahme der Britischen Inseln, aber einschließlich des europäischen Teils Russlands, das seinerseits starken Einfluss auf das formal unabhängige Sibirien ausübte.
    Auf dem asiatischen Kontinent dominierte Japan, das sich offenbar große Teile Chinas und einige Staaten im Süden des Kontinents einverleibt hatte. Der geradezu kometenhafte Aufstieg Chinas hatte in dieser Welt also nicht stattgefunden.
    Ein Völkerbund, dem anscheinend sämtliche Staaten und Staatenbünde der Welt angehörten, kam dem Begriff einer Weltregierung recht nahe. Er wurde von einem Sicherheitsrat geleitet, in dem die Europäische Föderation Sitz und Stimme hatte. Und auf der ganzen Welt herrschte offenbar Frieden, der lediglich – das hatte ich ja auch in den Nachrichten gehört – gelegentlich von kleineren Grenz- und sonstigen Scharmützeln auf kurze Zeit gestört wurde.
    Besonders auffällig war ein Thema, das mir durch sein Fehlen auffiel: In der ganzen Zeitung war kein einziges Wort von einem wie auch immer gearteten Nahost-Konflikt zu entdecken gewesen. Das kam mir fast paradiesisch vor!
    Energieprobleme schien es keine zu geben, eigentlich waren in der Zeitung überhaupt keine Hinweise auf irgendwelche größeren wirtschaftlichen Probleme zu erkennen gewesen. Dass auf dem Mond eine Forschungsstation eingerichtet war und man offenbar seit einiger Zeit auch erfolgreich darum bemüht war, die reichen Bodenschätze im Asteroidengürtel zu nutzen, freute den Science-Fiction-Leser in mir.
    Alles in allem also eine recht sympathische Welt, fand ich, wenn, ja wenn sie nur die meine gewesen wäre.
    Ich versuchte, mir Klarheit über meine ganz persönliche Situation zu schaffen. Ich war in eine Welt versetzt worden, deren Entwicklung irgendwann in den letzten hundert oder zweihundert Jahren einen anderen Verlauf genommen hatte als die meine, die aber offenkundig auf denselben Wurzeln wie die meine basierte. Wie anders wäre sonst beispielsweise zu begreifen, dass man ›hier‹ genau dieselbe Sprache wie ›zu Hause‹ sprach?
    Auch die Gegenstände des täglichen Lebens waren die gleichen, nur schien die Technik ein wenig weiter
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