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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm
Autoren: Johan Theorin
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Ziegeldach. Aus dem Küchenfenster und der verglasten Veranda drang ein warmes, gelbes Licht und beschien den Innenhof, der Rest des Hauses lag im Dunkeln.
    Wie viele Familien hatten vor ihnen an diesem Ort gelebt und die Wände, die Türschwellen und den Boden im Lauf der Jahre abgenutzt – der Leuchtturmmeister, die Leuchtturmwärter und die Leuchtturmassistenten und wie sie alle genannt wurden. Sie alle hatten auf dem Hof ihre Spuren hinterlassen.
    Bedenken Sie, dass ein Haus, das Sie in Besitz genommen haben, auch von Ihnen über kurz oder lang Besitz ergreifen wird , hatte Joakim in einem Buch über Renovierungsarbeiten an einem Holzhaus gelesen. Aber Katrine und ihm ging es nicht so – sie hatten sich ohne Schwierigkeiten von ihrem Haus in Bromma verabschiedet. Doch im Laufe der Jahre waren ihnen tatsächlich einige Familien begegnet, die ihre Häuser hüteten wie ihre Kinder.
    »Wollen wir raus zu den Leuchttürmen gehen?«, fragte Katrine.
    »Ja!«, schrie Livia begeistert. »Punkt und basta!«
    »Das könnte aber rutschig sein auf den Steinen«, warf Joakim ein.
    Er wollte nicht, dass Livia und Gabriel den Respekt vor dem Meer verloren und dann alleine hinunter ans Wasser gingen. Livia konnte nur ein paar Züge schwimmen und Gabriel noch überhaupt nicht.
    Aber Katrine und Livia liefen bereits Hand in Hand die steinerne Mole entlang, die ins Meer führte. Also hob er Gabriel auf den Arm und folgte den beiden zögernd über die unebenen Steinblöcke.
    Sie waren gar nicht so rutschig, wie er erwartet hatte, nur uneben. An einigen Stellen waren die Steine von den Wellen gelockert worden und lösten sich aus dem Beton, der sie zusammenhielt. Der Wind war an diesem Tag nicht besonders stark, aber Joakim konnte die unbändige Kraft der Naturgewalten spüren. Jeden Winter, jahraus, jahrein, hatte es vor Åludden schwere Stürme gegeben mit Treibeis, hohen Wellen und Orkanwinden – aber die Leuchttürme hielten dem stand.
    »Wie hoch sind die eigentlich?«, fragte Katrine und sah zur Turmspitze des Südturms hoch.
    »Nun ja, ich habe gerade kein Maßband dabei, aber … vielleicht so an die zwanzig Meter?«, erwiderte Joakim.
    Livia legte ihren Kopf ebenfalls in den Nacken und betrachtete ihren Leuchtturm.
    »Warum leuchtet der nicht?«, fragte sie.
    »Der geht bestimmt erst an, wenn es dunkel wird«, erklärte ihr Katrine.
    »Und der da, leuchtet der nie?«, fragte Joakim und zeigte auf den Nordturm.
    »Ich glaube nicht«, sagte Katrine. »Seit wir hier sind, war er nicht an.«
    An der Stelle, wo sich der Wellenbrecher gabelte, entschiedsich Livia für die linke Abzweigung, für den Leuchtturm ihrer Mutter.
    »Sei vorsichtig«, rief Joakim und sah beunruhigt hinunter in das schwarze Wasser am Fuß der Mole.
    Bis zum Meeresboden waren es hier höchstens ein oder zwei Meter, aber ihm war nicht wohl bei dem Gedanken an die Schatten und die Kälte dort unten. Er war ein ganz passabler Schwimmer, hatte aber nie zu denjenigen gehört, die sich im Sommer freudestrahlend in die Fluten stürzten. Noch nicht einmal an richtig heißen Tagen.
    Katrine hatte die Leuchtturminsel erreicht und stellte sich an die äußerste Kante. Ihr Blick wanderte die Küste entlang, im Norden waren nur leere Strände und kleine Wäldchen zu sehen, im Süden Wiesen und weiter entfernt einige Bootshäuser.
    »Kein einziger Mensch«, stellte sie erstaunt fest. »Ich dachte, man könnte von hier aus wenigstens ein paar Nachbarhäuser sehen.«
    »Da liegen zu viele Landzungen und Inseln dazwischen«, sagte Joakim. Er zeigte mit seinem freien Arm in Richtung Strand im Norden. »Seht mal dort drüben. Habt ihr das schon gesehen?«
    Etwa in einem Kilometer Entfernung lag ein sehr altes Schiffswrack am steinigen Strand – es waren nur noch die sonnengebleichten Planken des Schiffsrumpfes zu erkennen. Das Schiff musste vor langer Zeit in einem Wintersturm an Land getrieben und an den Strand geworfen worden sein. Das Wrack lag mit der Steuerbordseite auf den Steinen, Joakim erinnerten die Schiffsspanten an die Rippen eines Riesen.
    »Das Wrack, ja«, sagte Katrine.
    »Haben die die Leuchttürme nicht gesehen?«, fragte Joakim erstaunt.
    »Manchmal nützen einem auch Leuchttürme nichts … in einem Sturm zum Beispiel«, erwiderte Katrine. »Livia und ich haben uns vor ein paar Wochen das Wrack angesehen. Wir haben nach schönen Holzresten gesucht, aber das war wie leer gefegt.«
    Der Eingang zum Leuchtturm führte durch ein etwa ein Meter
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