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Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord
Autoren: Oliver Buslau
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Nachrichtenübermittlung per SMS? Warum Erkrath? Kam Krüger von irgendwoher mit dem Zug und brauchte jemanden, der ihn abholte? Sollte ich vielleicht lieber auf dem Bahnsteig auf ihn warten?
    Die Stimme auf dem Anrufbeantworter kam mir wieder ins Gedächtnis: »Wir sollten uns heute Abend treffen.«
    So knapp, so klar, so lapidar. Aber auch so unklar.
    Etwas Eigenartiges hatte in der Stimme gelegen. Als ob Krüger unter Druck gestanden hätte. Oder in Eile gewesen wäre.
    War da nicht auch so etwas wie Angst gewesen?
    Warum gab es keine Begrüßungsfloskel wie sonst immer, wenn wir telefonierten? He, Rott, Möchtegerndetektiv. Was machen die Fälle? Irgend so etwas. Warum nur dieser eine Satz?
    Mir wurde klar, dass mein Freundfeind wohl tatsächlich in Schwierigkeiten steckte. Und wenn er meine Hilfe brauchte, und wenn ich ihm dann half …
    Die Hitze waberte durch die Windungen meines Gehirns, daher dauerte es einen Moment, bis ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte und er mit allergrößter Klarheit vor mir stand.
    Wenn ich Krüger half, hatte ich was gut bei ihm!
    Keine schlechte Situation für mich. Endlich würde mir der Hauptkommissar ohne auf die Dienstvorschriften zu pochen mal den Halter des ein oder anderen Autos ermitteln. Oder mich gar in gewisse Akten schauen lassen. Zeugen benennen …
    Ich würde es so leicht haben wie Ingos Detektive!
    Wenn er nur endlich mal käme und mir sagen würde, worum es überhaupt ging.
    Ich stieg aus, um das Terrain zu sondieren.
    Der Park-and-ride-Platz schmiegte sich in seiner Breitseite an die hochgelegene Bahnstrecke. Auf der anderen Seite des Platzes verlief die Hauptstraße, die in der Verlängerung nach ungefähr dreihundert Metern den Ort verließ und hinunter ins Neandertal führte. Entlang der kurzen Seite des Parkplatzes ging es in den eigentlichen Ort, der jenseits der Bahnstrecke lag. Jedes Mal, wenn ein Zug kam, senkte sich eine Schranke.
    Ich ließ meinen Blick über die Häuser entlang der Hauptstraße gleiten. Alles wirkte wie ausgestorben. Der Berufsverkehr war vorbei, und die Leute hatten wohl keine Lust, sich in der Stadt aufzuhalten, sondern grillten in ihren Gärten.
    Ich spazierte ein bisschen herum. Kurz vor der Schranke sah ich ein paar Gestalten hinter den Scheiben eines Imbissladens. Ich suchte Krügers massige Statur vergeblich. Es waren nur ein paar Jugendliche da - genauso wie vor dem roten, klotzigen Haus an der Strecke ins Neandertal. Ein ovales Schild über dem Eingang verkündete: »CASINO«. Eine Spielgelegenheit für Kinder, die dem Sandkasten entwachsen waren.
    Auf dem Weg zum Bahnsteig bewunderte ich ein seltsames Gebilde, das mich neugierig machte. Was die mehr oder weniger künstlerische Zusammensetzung aus einem Rad, einem Meter Schiene und Metallfüßen zu bedeuten hatte, sagte eine eiserne Plakette: Die Bahnlinie, auf der sich auch jetzt gerade wieder mit Tüt-tüt-tüt-tüt-tüt die Türen schlossen, war die steilste Eisenbahnhauptstrecke Europas.
    Seltsam. Die hätte ich eher in der Schweiz vermutet.
    Ich überprüfte die Fahrgäste, die aus dem gerade angekommenen Zug stiegen. Nur eine einzige Gestalt verließ die Bahn. Ein etwa fünfzehnjähriger Typ, der an einer schrecklichen Krankheit litt. Alle fünf Meter zwang ihn etwas, auf den Boden zu spucken. Rotzüberproduktion. Armer Kerl. Er sollte mal zum Arzt gehen.
    Kein Krüger.
    Langsam ließ die Hitze nach. Dort, wo die Straße ins Tal hinunterging, stand die Sonne schräg und tauchte den Parkplatz in rötliches Licht.
    Ich schlenderte zurück und dachte, dass ich mir in Kleibers Kaschemme eine Zeitschrift oder etwas anderes zum Lesen hätte kaufen sollen. Die Zeit wurde mir lang. Man konnte an so einem Abend wirklich Schöneres unternehmen. Schließlich kannte auch ich Leute mit Gärten, die mich vielleicht zum Grillen eingeladen hätten. Wenn ich da nur an Juttas Nobelrasen auf dem Brill dachte. Wie angenehm musste es da oben jetzt sein. Eine kühle Brise vom nahen Wald. Der Duft von frisch gemähtem Gras und Blüten …
    In meiner Hosentasche vibrierte es. Etwa schon wieder Krüger?
    Ich fummelte das Handy raus. Tatsächlich.
    Treffen Neandertal. Düssel. Hinter Steinzeitwerkstatt. Bitte sofort kommen.        
    Das konnte man nur als Hilferuf verstehen. Wenn Krüger nicht in der Klemme saß, hieß ich ab heute Ingo.
    *
    Ich lenkte den Golf auf die Hauptstraße, die in Kurven abwärts führte. Hier wurden die Schatten noch länger, die Sonne fand schon nicht mehr
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