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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum
Autoren: Frances G. Hill
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    M eine Geburt fiel in die Fünftwoche des Dunklen Winters. Die Tage waren noch immer kurz und trüb, aber hin und wieder lag schon eine erste Ahnung von Frühling in der eisigen Luft.
    Ist das ein guter Anfang für eine Geschichte? Ich weiß es nicht, aber da es der früheste Zeitpunkt in meinem Leben ist, an den ich mich erinnern kann, werde ich dort beginnen.
    Meine Mutter, Ellemir, war froh und traurig zugleich, als sie mich das erste Mal zu Gesicht bekam. Malima, ihre alte Amme, nahm mich aus den Händen der Heilerin Jemaina und zeigte mich meinem Vater, dem Burgherrn von Salvok. Doch der wollte mich noch nicht einmal ansehen, er knurrte nur und ging aus dem Zimmer.
    Meine Mutter weinte, und die Amme wiegte mich, weil ich schrie. Ich hörte ihre sanften, mehr gesummten als gesprochenen Worte, ohne daß ich damals verstanden hätte, was sie bedeuteten: »Armes Würmchen. Armes kleines Ding.« Erst viel später sollte ich begreifen, was sie damit gemeint hatte.
    Die ersten Neunwochen meines Lebens waren nicht bemerkenswert, sieht man vom Tag meiner Namensgebung ab. Meine Mutter hatte mich eigenhändig in feines, gebleichtes Leinen gewickelt, und sie selbst trug ihr schönstes, smaragdgrünes Gewand. Ihre roten Locken bändigte ein Netz aus Silberfiligran, und als Schutz gegen die noch kühle Frühlingsluft lag um ihre Schultern ein Mantel mit hellem Pelzbesatz.
    Malima trug mich ihr nach, als Ellemir durch das Burgtor zur Heiligen Quelle der Göttin im Goldenen Hain schritt. Dort, im Schatten der hohen Albiabäume, wartete schon jemand auf uns: der Zauberer Julian.
    Ich weiß, daß viele meinen Vater für überspannt, wenn nicht gar größenwahnsinnig hielten, weil er wahrhaftig einen eigenen Magus in seinen Diensten hatte; gerade so, als sei er die Krone selbst. Malima erzählte mir später, als ich verständig genug dafür schien, der Zauberer habe kurz vor meiner Geburt mit seinem mageren Gaul und armseligem Gepäck vor dem äußeren Burgtor gestanden und Einlaß begehrt. Mit sich geführt habe er ein Sendschreiben der Obersten Maga – an dieser Stelle pflegte Malima mit zwei Fingern das Zeichen des Bösen Auges zu machen – und dieses habe ihn ohne weitere Erklärung in des Burgherren Dienst gestellt. Da niemand jemals einen Wunsch der Obersten Maga in Frage stellte, zog Julian ein und blieb.
    An dieser Stelle der Geschichte spuckte Malima immer sehr damenhaft aus und fügte das sprichwörtliche: ›Traue niemals keinen Zauberer nicht!‹ hinzu, mit dem sie alle ihre Geschichten über Magier, Hexerei und Zaubervolk abschloß.
    So weit ich mich erinnern kann, hat mein Vater nie auch nur ein Wort mit seinem Zauberer gewechselt. Er duldete ihn, hielt es aber nicht für notwendig, sich darüber hinaus auch noch mit ihm zu beschäftigen. Julian nahm das so gleichmütig hin, wie er anscheinend alles hinnahm und zog klaglos in das kleine, zugige Zimmer hoch oben im Eckturm, das ihm zugewiesen wurde. Dort, so munkelte man, ging er den absonderlichen und zutiefst verabscheuenswerten Beschäftigungen der Zauberer nach, wobei niemand so recht wußte, worin diese eigentlich genau bestanden.
    Doch zurück zu meinem Namens-Tag.
    Meine Mutter erschrak, als sie den Zauberer dort stehen sah. Mit seinem schwarzen Haar und der dunklen Kleidung verschmolz er fast völlig mit dem tiefen Schatten der Bäume, nur sein bleiches Gesicht mit den weit auseinanderliegenden Augen stach daraus hervor. Hager und melancholisch lehnte er an einem der glatten Baumstämme und erwartete uns. Malima drückte mich fester an ihren Busen und funkelte ihn böse an. Er indes hatte nur Augen für meine Mutter. Auf seiner Schulter saß ein kleiner schwarzweißer Rabe und betrachtete sie ebenfalls. Meine Mutter und Julian sahen sich lange schweigend an.
    »Ich hoffe, du weißt, was du tust«, setzte er schließlich ein Gespräch laut fort, das bis dahin stumm geführt worden war. Er machte eine Pause, als erwarte er eine Antwort von meiner Mutter, aber sie hatte die Lippen voller Abscheu zusammengepreßt und ihr Gesicht von ihm abgewandt. Zwischen ihren Brauen stand eine steile unmutsvolle Falte, und ihre grünen Augen blitzten vor unterdrücktem Zorn.
    »Du lädst Elloran eine große Bürde auf.« Julian lächelte schmal, als er Mutters Verblüffung darüber bemerkte, daß er den Namen kannte, den sie mir an diesem Tag geben wollte. »Ich denke, ich werde dir helfen«, fuhr er dann fort, ihre Verwirrung sichtlich genießend. »Ich glaube, dein Kind
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