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Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord
Autoren: Oliver Buslau
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woandershin. Trotzdem waren sie so nah, dass sie das Gespräch mitbekommen würden.
    »Geht es um einen Auftrag?«
    »Das meinte ich. Kann ich Sie treffen?«
    »Ich bin gerade mit einem anderen Fall beschäftigt. Ich bin allerdings morgen im Büro.«
    »Das ist zu spät. Geht es nicht heute noch?«
    »Hören Sie, ich …«
    »Heute Abend?«
    Ich überlegte. Ich brauchte noch ein paar bessere Fotos und musste deshalb erst mal im Schwimmbad bleiben. Aber ewig würde das nicht mehr dauern. »Gut«, sagte ich. »So gegen sieben?«
    »In Ordnung.«
    »Haben Sie meine Adresse?«
    »Ja. Bis dann.« Er legte auf.
    So liebte ich es! Klare Ansagen. Kein Drumherum. Um sieben ein neuer Klient. Zack, zack, zack! Ich hörte schon die Kasse klingeln.
    Ich verstaute das Telefon und blickte in die Runde. Die drei Mädels waren beschäftigt. Die eine hatte weiße Stöpsel in den Ohren und tippte auf einem MP3-Player herum. Die zweite döste, und die dritte guckte auf den Rasen und drehte nachdenklich eine Strähne ihres blonden Haares um den Zeigefinger.
    Was machte unser flirtendes Paar?
    Marianne Kleiber rauchte, der Mann rauchte. Ein Stück Silberfolie glänzte. Es stammte aus der Zigarettenpackung und diente als Aschenbecher.
    Sie schwiegen.
    Ich musste auf neue Aktionen warten.
    Wohlig streckte ich mich auf dem Rücken aus, starrte in den märchenhaft blauen, wolkenlosen Himmel und versuchte gleichzeitig, die beiden Turteltauben nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Ein Zitronenfalter torkelte durch mein Gesichtsfeld. Ich drehte den Kopf, um seinen Weg zu verfolgen, und betrachtete die hohen, mit dichtem Grün belaubten Bäume am Hang, wo sich der kleine Schmetterling in den Schatten verlor. Eine Brise kam aus dem Wald und brachte die Kühle des Vogelsangbachs mit. Aus der Richtung der blauen Schwimmbecken kamen platschende Geräusche. Kinder schrien von ferne.
    Ich schloss die Augen und tat das, was mir Jutta immer wieder geraten hatte: das Leben genießen. Sekunde für Sekunde, Atemzug für Atemzug. Lange genug hatte mir das nicht gelingen wollen. Jahrelang war ich Auftrag um Auftrag hinterher gehechtet, immer nahe am finanziellen Abgrund. Aber einmal musste sich das ja ändern. Und einmal musste es ja wieder einen märchenhaften Sommer geben.
    Was war ich zufrieden! Ich war mit einem Superauftrag versorgt, der mir den dienstlichen Aufenthalt im Schwimmbad ermöglichte. Sogar den Eintrittspreis konnte ich als Spesen geltend machen.
    Endlich, dachte ich. Endlich komme ich auch mal zum Zuge. Endlich kann ich arbeiten, und es fühlt sich gar nicht wie Arbeit an.
    Na gut, es ging natürlich auch anders.
    Jutta zum Beispiel verbrachte ihren Urlaub am liebsten in der Karibik, fuhr im Winter einen ganzen Monat zum Skifahren, und ihr Konto quoll trotzdem über wie alle drei Tage bei mir zu Hause der Mülleimer.
    Nur kein Neid jetzt, sagte ich mir. Du musst zufrieden sein. Das Schwimmbad »In der Mirke« in Wuppertal ist eben deine Karibik.
    Ich atmete ein paarmal tief durch und öffnete die Augen. Die gute Nachricht: Die drei Grazien waren verschwunden. Sie hatten nur ihre Badelaken liegen gelassen. Die schlechte Nachricht: Marianne Kleiber hatte die männliche Versuchung zwei Meter weiter noch immer nicht als solche erkannt. Keine wirkliche Berührung. Geschweige denn Geknutsche. Oder hatte ich was verpasst?
    Auf dem Bauch liegend, die Ellbogen aufgestützt, blätterte Madame in einer Zeitschrift. Die Sonnenbrille war wieder auf ihrer Nase. Der Mann hatte sich auf sein eigenes Badelaken zurückgezogen und betrachtete sie. Nach ein paar Minuten drehte er den Kopf zu mir. Ich erwiderte seinen Blick.
    Ich weiß auch nicht, was du jetzt tun sollst, dachte ich.
    Wieder das Handy. Diesmal ein rhythmisches Summen. Ich sollte das Ding bei der Arbeit ausschalten, dachte ich.
    Ich seufzte, zog das Telefon wieder heraus. Eine SMS: Nachricht für Sie auf Ihrem AB. Melde mich wieder. Krüger.
    Was sollte das jetzt? Krüger? War das der Mann, der eben angerufen hatte? Er hatte seinen Namen nicht genannt. Die Nachricht wirkte, als wüsste dieser Krüger, dass ich mit seinem Namen etwas anfangen konnte.
    Es fiel mir nur ein einziger Krüger ein, auf den das zutraf. Der schickte aber keine SMS, wenn er etwas von mir wollte, sondern er rief an. Oder schickte seinen grünen Trachtenverein mit den Schirmmützen.
    Das muss ein Irrtum sein, dachte ich. Abgesehen davon ist es sicher kein Fehler, zu Hause mal den AB abzuhören.
    Ich sah auf die Uhr. Halb
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