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Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord
Autoren: Oliver Buslau
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sechs durch. In knapp anderthalb Stunden würde das Freibad schließen. Als ob sie denselben Gedanken gehabt hätte, stand weiter unten Marianne Kleiber auf, faltete ihr Tuch zusammen und steckte es mitsamt der Zeitschrift in eine Ibizatasche. Sie holte ein T-Shirt und eine dreiviertellange Jeans heraus, zog beides über den grünen Bikini und machte Anstalten zu gehen.
    Ein Gruß an den Mann auf dem Badelaken.
    Die Show war zu Ende.
    *
    Eine halbe Stunde später hatte ich mich durch den Feierabendverkehr gequält, einen Parkplatz in der Luisenstraße gefunden und die Treppen zu meiner Kombination aus Wohnung und Büro hinter mich gebracht.
    Der Schweiß brannte mir in den Augen. Als ich meine Wohnungstür öffnete, schlug mir Mief entgegen. Ich hielt die Luft an und riss die Fenster auf. Das im Schlafzimmer war die ganze Zeit gekippt gewesen. Völlig sinnlos: Die Hitze, vermischt mit Abgasen und Dreck, stand felsenfest in der Stadt. Kein Lüftchen regte sich.
    Ich ließ mich in meinen Bürostuhl fallen und fummelte die Flashcard aus der Kamera. Während der Computer hochfuhr, zündete ich mir reflexartig eine Zigarette an. Der Qualm blieb bewegungslos im Raum stehen, als hätte jemand einen Film angehalten. Ich drückte die Kippe wieder aus.        
    Drei der Fotos waren mit Ach und Krach zu gebrauchen. Vor allem die Szene mit dem vermeintlichen Insekt wirkte mit ein bisschen Fantasie wie eine kleine ausgetauschte Zärtlichkeit. Immerhin.
    Ansonsten hatte ich noch trauliches Beisammensein mit geteiltem Aschenbecherprovisorium und Feuer geben. Wenn das nicht reichte, konnte ich es auch nicht ändern.
    Ich klickte auf den Druckbefehl und beobachtete, wie sich die Fotos vom Bildschirm auf das Papier übertrugen. Dabei fiel mein Blick auf den Anrufbeantworter.
    Er blinkte.
    Krüger.
    Ich drückte auf den Knopf.
    »He, Remi, von dir hört man ja gar nichts mehr.«
    Das war Jutta.
    »Schwer im Einsatz, was? Du arbeitest zu viel. Ruf mich mal an. Ich zeige dir, womit du wieder zur Ruhe kommst.«
    Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. In der Ruhe war ich lange genug gewesen. Jetzt gab es nur noch Unruhe - kreative Unruhe. Arbeit. Kohle. Jutta konnte machen, was sie wollte; sie saß mit ihrem Geld in ihrem noblen Eigenheim auf dem Brill und frönte ihren Marotten.
    Die nächste Nachricht. Sie war kurz. Sehr kurz. Aber ich erkannte die Stimme sofort.
    »Wir sollten uns heute Abend treffen.«
    Das war alles.
    Ich hatte die Stimme schon so oft gehört, dass ich sie aus Millionen heraus erkennen würde. Was hatte es nicht alles gegeben: Telefonate, Verhöre, Gespräche, Drohungen, Vernehmungen …
    Krüger war Hauptkommissar bei der Wuppertaler Mordkommission. In vielen meiner Fälle war er mir über den Weg gelaufen. Mal arbeiteten wir gegeneinander, mal miteinander. Keine Ahnung, wie man so ein Verhältnis nannte. Kollegen waren wir nicht, aber wir hatten in derselben Branche zu tun. Das war es wohl.
    Ich hatte mir die Nachricht gerade ein drittes Mal angehört, da meldete sich mein Handy wieder - summend, nicht mit Abbas E-Gitarren. Wieder eine Kurznachricht. Wie auf Kommando.
    Treffen heute Abend. Genaueres folgt. Bitte rufen Sie mich nicht an. K.
    Ich versuchte, mir einen Reim darauf zu machen, aber das führte nur dazu, dass die Fantasie mit mir durchging. Befand sich Krüger in einer extrem geheimen Polizeioperation und wollte mich dabeihaben? War er endlich von meinen ermittlerischen Fähigkeiten überzeugt? War ich der Rettungsanker für die Wuppertaler Polizei? Oder hatte er ein privates Problem? Dasselbe wie Kleiber? Verdächtigte er seine Frau, fremdzugehen? 
    Der Gedanke erinnerte mich an etwas. Ich holte die Fotos aus dem Drucker und steckte sie in einen braunen Umschlag.
    Warum konnte Krüger nicht das Telefon benutzen wie jeder normale Mensch?
    Die Uhr zeigte kurz nach sieben. Wo blieb der neue Klient eigentlich? Hatte er es sich anders überlegt?
    Ohne die Fernsehzeitschrift zu konsultieren, wusste ich, dass meine Anti-Lieblingssendung seit einer guten halben Stunde zu Ende war. Sie lief auf Sat.1, und ich nannte sie für mich selbst immer »Ingo und die Detektive«: Ein zwirbelbärtiger Anwalt beschäftigte Kollegen von mir - junge Leute, die im Auftrag von Mandanten verschwundene Töchter, missratene Söhne, zwielichtige Verlobte oder kriminelle Geschäftspartner überwachen, aufspüren oder irgendeines Verbrechens überführen sollten. Die Ermittler hatten es gut: Ohne
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