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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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Krankenschwester, die damals Anna Herrmann hieß und sich später hier Amanda Hogaarth nannte, uns dieses Baby anbot, nahmen wir den Kleinen an, weil wir glaubten, dass er ein Waisenkind war, dessen Eltern bei einem Unfall gestorben waren. Sechs Monate später erfuhr mein Mann dann die schreckliche Wahrheit.
    Aber da liebte ich Esteban bereits über alles, und mein Mann wusste, dass ich ihn niemals hätte hergeben können. Er hat mir erzählt, dass er Angst hatte, den Tod von Estebans Eltern bekannt zu machen, dass er fürchtete, man könnte auch uns verschwinden lassen.« Señora Sandoval schwieg einen Moment, dachte offenbar an jene dunklen Zeiten zurück. »Nach dem Sturz des Regimes, da hätte er mir die Wahrheit sagen sollen. Ich hätte versucht, Estebans Herkunftsfamilie ausfindig zu machen. Seine Großeltern, Tanten und Onkel – sie hatten das Recht zu erfahren, dass es ihm gut ging. Aber mein Mann denkt immer, er weiß, was am besten ist.« Sie stieß ein bitteres kurzes Lachen aus.
    »Deshalb rufe ich jetzt an, um Ihnen zu danken. Wegen allem, was geschehen ist, reist Esteban nun nach Argentinien, um seine Verwandten kennenzulernen. Endlich werden sie erfahren, dass er nicht von Mördern und Folterern großgezogen wurde. Er wird ihnen erzählen, dass er gute Eltern hatte. Er wird ihnen sagen, wie sehr es uns leidtut, dass wir die Wahrheit verschwiegen haben. Ich hoffe, sie verstehen, dass mein Mann aus Liebe zu mir und Esteban gehandelt hat. Ich hoffe, sie können uns vergeben.«
    »Das hoffe ich auch, Señora Sandoval. Vergebung ist, glaube ich, die einzige Möglichkeit, das, was während des Schmutzigen Krieges geschah, zu überwinden. Ich vermute, auch Amanda Hogaarth hat auf ein wenig Vergebung gehofft. Deshalb hat sie wohl ihr ganzes Vermögen einer regulären Adoptionsagentur vermacht.«
    »Sie hören sich gesund und stark an, Ms Manfreda. Das, was die Costellos Ihnen angetan haben, hat Sie nicht zerstört«, sagte Señora Sandoval.
    »Nein, mein Bein ist ein bisschen ramponiert, aber psychisch bin ich stabil«, bestätigte Manny.
    »Dann hoffe ich, dass auch Sie vergeben werden. Wissen Sie, die Geschichte von dem Vampir hat in Argentinien großes Aufsehen erregt. Ich habe täglich im Internet die Meldungen darüber gelesen.«
    »Paco hat mir erzählt, dass Sie keine Nachrichten verfolgen.«
    »Das war früher. Aber ich habe meine Lektion gelernt. Es ist nicht gut, den Kopf in den Sand zu stecken.« Señora Sandoval seufzte. »Die Geschichte von Elena Muniz Costello war in sämtlichen argentinischen Zeitungen. Eine sehr traurige Geschichte. Elena wurde von einem Polizisten und seiner Frau adoptiert, einem sehr brutalen Mann, der während des Schmutzigen Krieges für die Geheimpolizei arbeitete. Er hat sie ihre gesamte Kindheit hindurch misshandelt, und seine Frau war unfähig, ihn daran zu hindern. Elena hat nie verstanden, warum er sie so hasste. Und dann fand sie als junge Frau die Wahrheit über ihre Geburt heraus. Doch da waren ihre Großeltern und Tanten schon tot. Sie hat sie nie kennengelernt. Es war ihr einfach unbegreiflich, wieso nicht ganz Argentinien über das Unrecht empört war, das sie und andere adoptierte Kinder erlitten hatten. Danach fühlte Elena sich berufen, dafür zu sorgen, dass jedes adoptierte Kind der Desaparecidos von seiner Geburtsfamilie erfuhr.«
    »Sogar diejenigen, die nichts davon wissen wollten«, sagte Manny. »Das erklärt wahrscheinlich, warum sie getan hat, was sie getan hat, aber es rechtfertigt es nicht. Und was war mit Frederic Costello? Wurde er als Kind auch misshandelt?«
    »Nein. Anscheinend wurde er als Kleinkind von Freunden seiner Geburtseltern adoptiert, nachdem die verschwunden waren. Sie haben ihm nie die Wahrheit über seine Herkunft vorenthalten – ganz im Gegenteil. Sie waren Aktivisten in der Sache. Durch sie hat Frederic dann auch Elena kennengelernt.«
    Manny veränderte ihre Lage auf dem Sofa. Ihr Bein hatte zu pochen begonnen. »Aber dann begreife ich nicht, wieso er bei diesem grausamen und wahnsinnigen Plan seiner Frau mitgemacht hat.«
    »Das werden wir wohl nie begreifen. Aber ich für mein Teil glaube, dass die Schülerin den Lehrer übertroffen hat.
    Durch ihn begann sie, sich für die Sache zu engagieren, und dann wurde ihre Leidenschaft größer als seine.«
    »Vielleicht, wenn sie sich nie begegnet wären … wenn sie jeweils jemand anderen geheiratet hätten …«, sagte Manny.
    »Dann wäre das alles nicht passiert«, führte
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