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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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musste alle Kraft aufbieten, um das Gleichgewicht zu bewahren und den Stoff straff zu halten.
    Der Hund wehrte sich keuchend gegen die ungewohnte Fessel. Er war ganz sicher nie an einer Leine gegangen, und dafür war Manny dankbar. Ein abgerichteter Hund hätte vielleicht versucht, sich rückwärtszubewegen, um den Druck zu verringern, aber der Pitbull zog immer weiter nach vorne, wodurch er sich selbst die Luftzufuhr abschnitt und ihr die Arbeit erleichterte.
    Der Hund begann zu taumeln, und schließlich knickten ihm die Beine ein. Manny spürte förmlich Jakes Gegenwart auf der anderen Seite der Kamera, hörte seine Beschwörungen. Nicht loslassen. Es ist noch nicht vorbei. Jake musste immer darüber lachen, wie im Film der Tod durch Erwürgen dargestellt wurde – zehn Sekunden Druck auf den Atemweg, und schon war das Opfer tot. In Wahrheit dauerte es mehrere Minuten, um einen Menschen auf diese Weise zu töten. Manny wusste nicht, wie lange das hündische Äquivalent dauerte, aber sie würde kein Risiko eingehen. Sie zog und zog, obwohl ihr die Arme von der Anstrengung wehtaten.
    Der Hund kippte zur Seite und verdrehte die Augen. Aber noch immer löste Manny die Schlinge nicht. Sie blickte zu Travis hinüber, hoffte, dass er es jetzt, wo das Tier geschwächt war, vielleicht für angebracht halten würde, rüberzukommen und ihr zu helfen. Aber der Junge saß noch immer mit glasigen Augen zusammengesunken in der Ecke.
    Die Beine des Hundes zuckten unkontrolliert, und eine Urinpfütze breitete sich unter seinem Körper aus. Ein gutes Zeichen – er hatte offenbar das Bewusstsein verloren. Mannys Arme zitterten vor Anstrengung, während sie das Kleid straff gespannt hielt. Wenn sie sich nicht so lange an dem Fenstergitter festgehalten hätte, wäre sie kräftiger gewesen. Sie beschloss, den Druck noch zwei Minuten beizubehalten, und begann leise zu zählen. »Einundzwanzig, zweiundzwanzig.«
    Als sie das zweite Mal bei achtzig angekommen war, ließ sie vorsichtig los. Die Hund blieb reglos liegen. Manny wusste, dass sie seinen Puls fühlen sollte.
    Sie streckte eine bebende Hand aus, um die Halsschlagader des Hundes zu ertasten. Sein Fell war kurz und stichelig, ganz anders als Mycrofts. Über Hals und Brust zogen sich zahllose Narben von den vielen Kämpfen, die er überlebt hatte. Mannys Fingerspitzen verharrten in der Luft über dem Körper des Hundes; Tränen standen ihr in den Augen.
    Sie schaffte es nicht. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, diesen Hund zu berühren. Nach seinem Puls zu tasten wäre ihr zu sehr wie eine Liebkosung vorgekommen, so als wollte sie ihn am Hals kraulen, wie sie das bei Mycroft tat und bei jedem anderen zutraulichen Hund, der freundlich die Schnauze hob, um sich von ihr streicheln zu lassen.
    Manny wich von dem Hundekörper zurück. Sie war müde, unendlich müde. Nur eine Minute, dann würden sie nach einem Weg suchen, hier rauszukommen. Aber zuerst musste sie sich ausruhen.

61
    Jake hatte Mannys Heldentat beobachtet, und er war fassungslos. Nach ihrem verblüffenden Sieg über den Hund hätte er euphorisch sein müssen, aber sein zentrales Nervensystem hatte sich noch nicht von dem Schock erholt, dass die Frau, die er liebte, mit bloßen Händen und einem Stück Stoff auf dieses Vieh losgegangen war.
    Manny schien von sich selbst schockiert zu sein. Sie saß ein Stück von dem Hund entfernt, das Gesicht in den Händen vergraben, und ihre Atemzüge waren tief und zittrig. Keine ungewöhnliche Reaktion auf eine unerträgliche Stresssituation. Aber Jake war zuversichtlich, dass sie sich bald wieder zusammenreißen und nach einem Fluchtweg aus ihrem Gefängnis suchen würde.
    Er hoffte, dass Sam mit dem Gebäude von Fireproof Apparel richtig lag, obwohl es ziemlich weit hergeholt war. Manny und Travis könnten Gott weiß wo sein. Aber zumindest gab es keinen Zeitdruck mehr. Jetzt, wo der Hund ausgeschaltet war, spielte es keine Rolle, wenn die Suche noch Stunden dauerte.
    Jake rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her, während er das bewegungslose Bild auf seinem Monitor betrachtete. Schauten die Costellos noch zu? Wenn ja, schäumten sie bestimmt vor Wut, weil ihre Foltershow geplatzt war. War die Wut so groß, dass sie eine Rückkehr zum Tatort riskieren würden?
    »Steh auf, Manny«, beschwor er den Monitor. »Steh auf und such nach einem Ausweg.«
    Manny saß im Schneidersitz auf dem Boden. Das Einzige, was sie hörte, war ihr eigenes unstetes Ein- und Ausatmen. Die
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