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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche
Autoren: Baden & Kenney
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nicht. Und offensichtlich war New Yorks Vampir darin nicht besonders geübt.
    Natürlich könnte selbst erfahrenen Anästhesisten mit Äther ein Fehler unterlaufen. Deshalb wurde das Narkosemittel auch kaum noch verwendet. Und wenn es über einen getränkten Lappen verabreicht wurde, gestaltete sich die richtige Dosierung noch problematischer. Das Erstaunlichste war vielleicht sogar, dass es erst bei Fiore, dem fünften Opfer, zu einer Überdosis gekommen war.
    Annabelle Fiores zentrales Nervensystem war nahezu lahmgelegt worden. Sie wäre mit Sicherheit gestorben, hätten ihre Freunde sie nicht kurz nach dem Überfall gefunden. Die Wirkung war noch immer nicht ganz abgeklungen. Jake hätte ihr gern ein paar Fragen gestellt, aber obwohl sie sich leicht bewegte, während er sie untersuchte, war sie nur halb bei Bewusstsein. Eine Befragung würde warten müssen.
    Just in dem Moment, als Jake sich vom Krankenbett abwandte, betrat ein kleiner, zerknitterter Mann das Zimmer.
    »He, du hast es geschafft!« Detective Vito Pasquarelli schüttelte Jake begeistert die Hand. »Danke fürs Kommen. Hast du sie untersucht?«
    »Ja. Schwer, etwas Genaueres zu sagen, weil ich die anderen nicht gesehen habe. Aber wenn ihnen genauso perfekt Blut abgenommen worden ist wie Ms Fiore, dann würde ich sagen, wir haben es mit jemandem zu tun, der medizinisch ausgebildet ist.«
    Pasquarelli nickte. »Was ist mit dem Äther?«
    »Kaum feststellbar, ob die Überdosis Absicht oder Zufall war. Er scheint ihr deutlich mehr verabreicht zu haben als den anderen.« Jake fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, was seine Frisur auf der Modeskala noch etwas weiter von salopp Richtung zerzaust verschob. »Aber mir ist da ein Gedanke gekommen. Ich weiß, du hast gesagt, die Opfer kennen sich untereinander nicht. Aber vielleicht solltest du mal nachhören, ob sie irgendwelche Verbindungen zu jemandem haben, der berufsmäßig mit Versuchstieren zu tun hat.«
    »Du meinst mit Ratten und Mäusen? Wieso?«
    »Wenn Wissenschaftler mit Tieren experimentieren und sie anschließend obduzieren müssen, töten sie sie meist mit einer Überdosis Äther. Das ist heutzutage die häufigste Verwendung.«
    Sie waren auf dem Weg zum Fahrstuhl, und Vito horchte auf. »Und ein Wissenschaftler in der medizinischen Forschung weiß normalerweise, wie man Blut abnimmt, nicht?«
    Jake nickte. »Und wie man es testet. Was ich auch gern tun würde.«
    »Hat unsere Kriminaltechnik schon erledigt. Bei keinem der Opfer irgendeine Spur von Drogen. Nichts Verdächtiges.«
    Jake grinste. »Eine zweite Meinung könnte auf jeden Fall nicht schaden. Schick mir die Proben rüber. Ich würde gern selbst ein paar Tests machen.«
    »Alles klar.« Der Fahrstuhl war recht voll, und die beiden Männer fuhren schweigend nach unten.
    »Was meinst du, was er damit macht?«, fragte Vito, als die ungeduldigen Mitfahrenden an ihnen vorbei in die Lobby drängten.
    »Ich denke, er testet es, genau wie ich das tun werde«, sagte Jake.
    Der Detective schien erleichtert.
    Jake hob die Hand, als wollte er einen Toast ausbringen. »Es sei denn, er trinkt es.«

3
    Manny musterte sich in dem Ganzkörperspiegel und hörte im Geist die Stimme ihrer Mutter. Philomena Manfreda, so gehst du auf gar keinen Fall aus dem Haus.
    Seufzend zog sie das soundsovielte Outfit aus und warf es auf den wachsenden Berg auf ihrem Bett. Als Bürgerrechtsanwältin mit eigener Kanzlei besaß Manny einen Schrank voller Kostüme für jede juristische Gelegenheit: Kostüme, die Richtern Mannys Gelehrsamkeit signalisierten, Kostüme, die Geschworene bezauberten, Kostüme, die neue Mandanten gewannen. Außerdem jede Menge Cocktailkleider – Oper, Theater, sündhaft teure Benefizveranstaltungen –, alle gebügelt und einsatzbereit. Aber vor die Aufgabe gestellt, das perfekte Outfit für einen entspannten Abend beim Italiener mit einem Mann, der den ganzen Tag Leichen sezierte, auszuwählen, fühlte sie sich gänzlich überfordert.
    Manny griff nach einem weiteren Kleiderbügel in ihrem überfüllten Schrank. Vogue hatte drei Seiten lang von diesem Kleid geschwärmt. Wenn das auch nicht funktionierte, war sie mit ihrem Latein am Ende. Sie schlüpfte in das angebliche Wundergewand und drehte sich Richtung Bett.
    »Na, was meinst du?«
    Der Kleiderberg bebte leicht. Ein kleiner rotbrauner Fleck tauchte auf, gefolgt von zwei großen braunen Augen: ihr roter Zwergpudel Mycroft. Der Hund musterte ihren neusten Versuch, legte dann den Kopf
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