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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin
Autoren: Heyne
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Mutter fiel ihm ein. Die schöne, elegante Henriette und ihr wundervoller Tod, der etwas ganz Besonderes gewesen war. Sein kleines, kostbares Geheimnis, das er immer für sich behalten würde.
    Und er hatte seinem Sohn durch das Geständnis die Last von den Schultern genommen und dessen Liebe wiedergewonnen. Ganz gleich, nach wie vielen Jahren er das Gefängnis wieder verlassen sollte, Alex würde auf ihn warten, um ihn dankbar in die Arme zu schließen.
    Und dieser Moment war es wert.
    Allmählich wurde es dunkel in seiner Zelle. Die meisten Gefangenen saßen jetzt vor den Fernsehern.
    Matthias lag auf seiner Pritsche, sah an die kahle Decke und war davon überzeugt, dass das wahre Glück darin bestand, einzigartig zu sein.
    Er hatte sich nichts vorzuwerfen und in seinem Leben alles richtig gemacht.
    Das war ein gutes Gefühl.

Epilog
    EPILOG
    Es war der 10. Dezember 2010, und Berlin war tief verschneit. Die gedämpften Geräusche der Stadt wirkten beruhigend. Jetzt am Abend war es fast still. Autos waren kaum noch unterwegs, und es schneite unaufhörlich weiter.
    Zum Supermarkt lief er normalerweise zwanzig Minuten, wenn er sich beeilte fünfzehn, heute ging er extrem langsam. Die Jacke, die er anhatte, war viel zu dünn, die linke Seitennaht war aufgerissen, und der Wind, der unglücklicherweise aus dieser Richtung kam, drückte ihm gegen die Nieren. Seine Schuhe waren durchweicht, seine Strümpfe nass, und er fror erbärmlich. Noch nicht mal eine Mütze hatte er auf, weil er die eine, die er besaß, nicht mehr gefunden hatte.
    Aber das war ihm alles egal. Die kalten Finger tief in den Jackentaschen vergraben, stapfte er durch den Schnee.
    Heute auf den Tag genau vor einem halben Jahr war sein Vater verurteilt worden. Alex war jeden Verhandlungstag im Gerichtssaal gewesen und hatte sich über das stetige sanfte Lächeln gewundert, das Matthias trug, ganz gleich, was Zeugen, Gutachter, Nebenkläger, Verteidiger oder Staatsanwalt sagten. Lächelnd hörte er sich die Einzelheiten der Morde an, lächelnd erfuhr er, aus welchem Umfeld seine Opfer kamen und wie sie gelebt hatten, lächelnd antwortete er ruhig und bereitwillig auf alle Fragen, hörte den Antrag der Staatsanwaltschaft und das Plädoyer seines Verteidigers, und genauso lächelnd nahm er das Urteil zur Kenntnis: »lebenslänglich« mit anschließender Sicherungsverwahrung.
    Alex lächelte nicht, er weinte.
    Die Dankbarkeit, die er zu Anfang darüber empfunden hatte, dass Matthias die Schuld für den Mord am Küchenchef auf sich genommen hatte und er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen konnte, war längst verblasst, und die Erleichterung, die er verspürt hatte, war einer anhaltenden Verzweiflung gewichen.
    Er hatte begriffen, dass es sinnlos gewesen war.
    Alles war zerstört. Das Einzige, was er definitiv wusste, war, dass er niemals wieder in einer Küche arbeiten konnte. Mehr wusste er nicht. Er hatte kein Ziel mehr, keine Hoffnung und keinen Vater.
    Als Matthias nach dem Urteil aus dem Gerichtssaal abgeführt wurde, war er wenige Meter vor Alex kurz stehen geblieben und hatte ihm eine Kusshand zugeworfen.
    Dieses Bild verfolgte Alex jeden Tag bis in seine Träume.
    In der rechten Hand spielte er mit den letzten Münzen, die er besaß, in seiner Hosentasche steckten noch drei Scheine. Im Ganzen hatte er zweiundsechzig Euro und fünfzig Cent, genug, um seinen letzten Einkauf zu tätigen.
    Es war bereits nach zweiundzwanzig Uhr, aber das machte nichts, der Supermarkt hatte rund um die Uhr geöffnet. Früher war er immer nachts um vier, nach der Arbeit, einkaufen gegangen.
    Der Verkaufsraum des Supermarktes war hell erleuchtet, als er den Laden betrat. Nachts war der einzige Unterschied zu tagsüber, dass die Frischfleischtheke geschlossen war und man nur abgepacktes Fleisch kaufen konnte.
    Aber das wollte Alex sowieso nicht.
    »Jingle Bells« plätscherte ihm aus den Lautsprechern entgegen, und dort, wo sonst das Obst aus exotischen Ländern aufgebaut war, ragte jetzt ein funkelnder Weihnachtsbaum mit fantasielosen lilafarbenen und goldenen Kugeln. Außerdem gab es einen Stand mit Weihnachtsmännern, Dominosteinen, Lebkuchen, Spekulatius und Keksen aller Art, kleine Engel mit Lamettahaaren als Tischdekoration und geschmacklosen Weihnachtsbaumschmuck in allen Farben und Formen.
    Alex ging daran vorbei, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Wehmut, dass er sich an kein einziges Weihnachten erinnern konnte, das stimmungsvoll und schön gewesen war und an
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