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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin
Autoren: Heyne
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musste schon auf beiden Augen blind sein, um die Zusammenhänge nicht zu erkennen.
    Neri und Tommaso warteten in der Osteria zweieinhalb Stunden, bis Matthias, beladen mit Tüten und Kartons, endlich auftauchte. Tommaso fühlte sich in alte Zeiten zurückversetzt, als er nach Neris Pfeife tanzen und jede Menge unsinniger Sachen tun musste, und bekam immer schlechtere Laune. Aber er wagte es auch nicht, einfach aufzustehen und nach Montevarchi zurückzufahren.
    Neri tat, als wäre es ein Zufall, Matthias schon am nächsten Tag in Montebenichi wiederzutreffen.
    Matthias versuchte höflich zu sein und bat Neri und Tommaso herein, um nicht noch länger auf der Piazza herumzustehen. Die Akustik machte es möglich, dass man von fast jeder angrenzenden Wohnung mithören konnte, was auf dem Platz gesprochen wurde.
    Und das, was er sich so schwierig vorgestellt hatte, war plötzlich kinderleicht.
    Matthias bot den Carabinieri einen Kaffee an, den beide dankend annahmen, und während Matthias die Espressi mit seinem Kaffeeautomaten brühte, standen Neri und Tommaso scheinbar tatenlos auf dem Balkon. Auf einem winzigen, runden Bistrotisch an der Balustrade stand ein Aschenbecher mit vier Kippen einer extrem dünnen Zigarillosorte. Eine davon ließ Neri unbemerkt und blitzschnell in einer kleinen Plastiktüte verschwinden und schob sie sich in die Uniformtasche.
    Nur wenige Augenblicke später kam Matthias mit den Espressi.
    »Molte grazie«, sagte Neri lächelnd.
    »Wollen wir uns einen Moment setzen?«, sagte Matthias, und als die beiden Polizisten nicht ablehnten, holte er zu den zwei Stühlen, die schon auf dem Balkon standen, einen dritten dazu.
    »Wir wollen Sie auch gar nicht lange aufhalten.« Neri trank seinen Espresso mit einem Schluck aus. »Aufgrund einer routinemäßigen Nachforschung hätten wir nur gern gewusst, was Sie im Juli dieses Jahres gemacht haben. Waren Sie in Berlin, oder waren Sie in Urlaub?«
    »Du lieber Himmel, da kann ich mich kaum noch dran erinnern!« Matthias warf den Kopf in den Nacken, und um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, ging er ins Wohnzimmer, holte sich einen Zigarillo und zündete ihn an. Dann kehrte er zurück auf den Balkon, lehnte sich mit dem Rücken an die Balustrade und sah seine beiden Besucher an.
    »Ich war in Berlin, sicherlich, aber ich war auch in Siena, um den Kaufvertrag für diese Wohnung hier zu unterschreiben. Und dann war ich noch zwei, drei Tage am Meer.«
    »Wo?«
    »Marina di Grosseto. Ich wollte einfach ein bisschen schwimmen. Im Meer baden. Ich liebe es.«
    »Marina di Grosseto ist ein wunderschöner Ort! Und der Strand ist herrlich!«
    Matthias schüttelte sich in Gedanken an seinen Ausflug zu diesem Strand, aber er lächelte nur und meinte liebenswürdig: »Sie sagen es!«
    Neri entging nicht, dass Matthias genau die Sorte Zigarillo rauchte, von der er gerade eine Kippe eingesteckt hatte, und sah, dass auch Tommaso es registriert hatte.
    Jetzt hatte er alles, was er brauchte.
    »Waren Sie eigentlich schon mal auf der Insel Giglio?«, fragte Neri plötzlich, und Matthias stutzte.
    Warum fragte das dieser Carabiniere hier in Montebenichi? Wie kam er darauf? Er konnte doch nicht hellsehen! Und Matthias spürte, dass ihm – so überrumpelt wie er war – die Zeit fehlte, seine Antwort genau zu überlegen. Daher antwortete er ausweichend:
    »Ja, ganz kurz, vor drei oder vier Jahren. Ich war aber nur zwei Tage dort, und ich hatte das Gefühl, zwei Wochen auf der Insel gewesen zu sein. Sie ist wunderschön. Etwas ganz Einmaliges, aber es wäre mir zu langweilig, einen ganzen Urlaub dort zu verbringen.«
    Neri nickte, und seine Miene war völlig undurchschaubar.
    Matthias überlegte fieberhaft, ob seine Antwort nun richtig oder falsch gewesen war.
    Aber bevor er zu einem Ergebnis kommen konnte, verabschiedeten sich Neri und Tommaso.
    Matthias sah ihnen von seinem Balkon aus nach, als sie über die Piazza gingen, und er hörte den klackenden, sehr energisch wirkenden Schritt ihrer Ledersohlen auf den mittelalterlichen Steinen.

73
    73
    Berlin, Freitag, 16. Oktober 2009
    Susanne Knauer fiel aus allen Wolken, als sie am Freitagabend aus dem Büro kam und ihre Tochter wider Erwarten zu Hause war. Sie hatte einen uralten Jogginganzug an, war ungeschminkt, hatte ungewaschene Haare und war völlig verheult. Apathisch saß sie auf ihrem Bett und tat einfach gar nichts. Hörte noch nicht einmal Musik.
    »Was ist denn mit dir los?«, fragte Susanne
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