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Nachtprinzessin

Nachtprinzessin

Titel: Nachtprinzessin
Autoren: Heyne
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starrte auf den Bildschirm, als wäre sie kurzsichtig, und hatte vor Wut schweißnasse Hände. Neri ging im Zimmer auf und ab, er konnte schon gar nicht mehr hinsehen, nahm nur noch den Ton wahr.
    »Ich fasse es nicht, Neri!«, schäumte Gabriella. »Du machst die ganze Arbeit, du bist unheimlich clever, lässt DNA unter suchen, ziehst die richtigen Schlüsse und ermittelst den Mör der, den die Deutschen seit Wochen oder sogar seit Monaten krampfhaft und vergeblich suchen, und jetzt heimsen die die ganzen Lorbeeren ein, nur weil er zufällig in Deutschland auf gegriffen worden ist und nicht in Bucine! Das ist so ungerecht, dass ich platzen könnte! Nicht auszumalen, wenn es geheißen hätte: Neri hat es geschafft! Commissario Neri ist ein großartiger Ermittler und in Ambra hoffnungslos unterfordert!«
    »Bitte, Gabriella, hör auf!« Wenn er heute auch noch irgendwann das Wort »Rom« hören sollte, würde er ihr ins Gesicht springen.
    Gabriella verstummte und klebte mit ihren Augen weiter am Bildschirm. Das italienische Fernsehen sendete die gleichen Bilder von der Verhaftung wie das deutsche, offensichtlich hatten sie das Material gekauft.
    Unentwegt schüttelte Gabriella den Kopf.
    »Sie haben dich ja noch nicht mal interviewt!«, schimpfte sie schon wieder. »Können die bei RAI nicht vernünftig recherchieren? Warum ruft hier keiner an? Warum kommt das Fernsehteam nicht vorbei? Dann könnte ich mich wenigstens wieder etwas beruhigen.«
    Dass sich Gabriella so aufregte, machte Neris Enttäuschung nur noch schlimmer.
    »Ich gehe eine Weile spazieren«, sagte er, »muss auf andere Gedanken kommen.«
    Damit verließ er das Haus. Er wusste, dass Gabriella wahr scheinlich den ganzen Vormittag telefonieren würde, um all ihren Freundinnen zu erzählen, wie groß seine Verdienste in diesem Fall gewesen waren. Für ihn wäre es unerträglich, das alles mit anzuhören.
    Neri wanderte von Ambra nach San Martino, schlenderte durchs Dorf und nickte ein paar Leuten zu, die er flüchtig kannte. Hinter dem Ort ging der Weg steil bergauf, und Neri war nach zehn Minuten völlig außer Atem. Er hatte keine Lust mehr und spürte, dass ihn der Spaziergang nicht beruhigte, sondern immer kribbliger machte.
    Also lief er zurück, stieg in sein Auto, ohne noch einmal mit Gabriella zu sprechen, und fuhr zu Gianni ins Krankenhaus.
    »Wir haben ihn vor zwei Stunden aus dem künstlichen Koma geweckt«, erklärte der Arzt, ein stämmiger Mann mit kurzen Beinen und bereits ergrauten Haaren, obwohl Neri ihn erst Anfang fünfzig schätzte. »Er war kurzzeitig ansprechbar, jetzt schläft er wieder. Die Antibiotika schlagen gut an, wir haben die Lungenentzündung im Griff, und er atmet wieder selbstständig. Sicher ist er traumatisiert, und ich denke, es wird noch zwei, drei Tage dauern, bis er zu dem, was geschehen ist, etwas sagen kann, aber es kann auch sein, dass er wochenlang nicht redet.«
    »Kann ich zu ihm?«
    »Natürlich.«
    Neri fühlte sich in Krankenhäusern immer hilflos, schutzlos und verloren. So bemühte er sich, auf dem Linoleumfußboden keine quietschenden Geräusche zu machen, als er zu Gianni ging.
    Im Zimmer setzte er sich an sein Bett und nahm Giannis Hand. »Hej, mein Junge«, flüsterte er und musste die Tränen mühsam zurückhalten. »Das wird alles wieder. Hat mir der Arzt eben versichert. Mach dir keine Sorgen.«
    Neri bildete sich ein, dass Gianni kaum merklich genickt hatte.
    »Ich wollte dir nur sagen, Gianni, den Typen, der dir das angetan hat, hab ich gefasst. Ich hab ihn überführt. Es ist mir nicht wichtig, dass es die ganze Welt erfährt, ich wollte nur, dass du es weißt. Und wenn er in Deutschland nicht eingesperrt werden sollte, wenn sie ihn aus irgendeinem Grunde freilassen, dann bringe ich ihn um. Das schwöre ich dir!«
    Neri strich Gianni übers Haar, küsste ihn auf die Stirn und blieb am Bett seines Sohnes sitzen. Ganz still, ohne zu wissen, wie lange.
    Berlin
    Susanne wusste ganz genau, wie unprofessionell das war, aber in ihrer Fantasie hatte sie sich unter dem Monster, das mehrere junge Männer aus purer Lust oder Mordlust umgebracht hatte, jemand andres vorgestellt. Nicht einen derart attraktiven, sympathischen, eleganten und gebildeten Mann mit ausgesprochen höflichen und sensiblen Umgangsformen. Er hatte die Ausstrahlung eines Menschen, den man gern kennenlernte, mit dem man einige Worte wechselte und sofort mit ihm zusammen essen gehen mochte.
    Matthias von Steinfeld schien über seine
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