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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind
Autoren: John Sandford
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fünfundzwanzig Jahre her sein«, sagte sie. Sie schüttelte Lucas’ Hand, sah dann den Tankwart an und sagte: »Ich habe an der Säule mit der Karte bezahlt.«
    Sie traten zusammen aus der Tür, und draußen sagte Catrin: »Ich habe dich im Fernsehen bewundert.«
    Lucas musste immer noch um Fassung ringen, aber das war nicht einfach. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte … »Was, ehm, machst du so? Heutzutage?«
    »Ich wohne unten in Lake City«, antwortete sie. »Am Lake Pepin …«
    »Verheiratet und Kinder?«
    Sie grinste ihn an. »Natürlich. Mit einem Arzt, einem Allgemeinmediziner. Zwei Kinder, von jeder Sorte eins. James ist im zweiten Jahr am St.-Olaf-College, Maria ist in der letzten Klasse der Highschool.«
    »Ich habe auch ein Kind, eine Tochter«, sagte Lucas. »Ist noch in der Grundschule. Ihre Mutter und ich … sind nicht mehr zusammen.« Sie waren nicht verheiratet gewesen; kein Grund, es jetzt zu erwähnen. Ein Gedanke ging ihm durch den Kopf, und er sah auf die Uhr. »Es ist nicht mal vier Uhr. Was machst du denn zu dieser Zeit hier draußen?«
    »Eine Freundin von mir ist heute Morgen gestorben«, sagte sie. Ihr Lächeln war jetzt wehmütig; für einen Augenblick fürchtete er, sie würde in Tränen ausbrechen. »Ich wusste, dass sie sterben würde. Heute Nacht. Ich war darauf vorbereitet.«
    »O Gott …«
    »Es war schlimm. Lungenkrebs. Sie hat es einfach nicht geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich bin so … so …«
    Er klopfte ihr auf den Rücken. »Ich verstehe …«
    »Und wo fährst du hin? Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals zu den Frühaufstehern gehört hast.«
    »Ich bin zu einem Mord gerufen worden«, sagte er. Er merkte, dass er sie voller Begehren anstarrte, merkte ebenso, dass sie es sofort erkannte, und es belustigte ihn irgendwie. Damals wie heute wusste sie, wie anziehend sie auf ihn wirkte. Dieser Effekt, zuckte ihm durch den Kopf, muss bei uns beiden in die Seelen eingebrannt sein, denn er hat fünfundzwanzig Jahre überdauert.
    »Oh …«
    »Kennst du Alie’e Maison, das Model?«
    Ihre Hand fuhr erschreckt zum Mund. »Sie ist ermordet worden?«
    »Erwürgt.«
    »O Gott! Hier in St. Paul?«
    »In Minneapolis.«
    Catrin sah an ihm vorbei, auf die leere Fläche vor der Tankstelle. »Du hast es anscheinend nicht besonders eilig, zum Tatort des Verbrechens zu kommen.«
    »Fünf Minuten spielen keine Rolle«, sagte Lucas. »Die Frau ist schließlich tot.«
    Sie schien vor ihm zurückzuweichen, obwohl sie sich nicht bewegte. Sie sah ihm in die Augen, sagte: »Du warst auch damals schon ein rauer, harter Bursche. Der kalte Hauch der Realität …«
    Und sie hat gerade eine Freundin sterben sehen, dachte Lucas. »Tut mir Leid, ich wollte nicht …«
    »Nein, nein, das ist okay. Es ist nur …« Sie lächelte wieder, griff nach seiner rechten Hand, tätschelte sie. »Lucas … Du solltest jetzt fahren. Finde den Mörder.«
    »Ja.« Er trat zurück, blieb stehen. »Du siehst großartig aus«, sagte er. »Du bist eine dieser Frauen, die selbst mit neunzig noch großartig aussehen werden.«
    »Ein hübscher Gedanke, wenn man das Alter kommen fühlt«, sagte sie. Sie legte die Arme um den Oberkörper, schüttelte sich. »Wenn deine Freundinnen sterben und du das Alter ganz deutlich näher kommen fühlst …«
     
     
    Er ging, widerstrebend, drehte den Kopf, sah sie zum Wagen gehen. Ein Lincoln. Konservativ, gehobene Mittelklasse. Gut gepflegt.
    O Gott. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte …
    Er jagte den Porsche durch die Gänge, zur Interstate-Auffahrt, dann die I-94 hinunter auf die Lichter von Minneapolis zu, die Augen konzentriert auf die Straße gerichtet, im Geist jedoch noch immer bei Catrin.
    Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie stinkwütend und splitternackt zugleich gewesen; war gerade aus der Dusche gekommen, hatte sich das Haar mit einem giftig braunen Badetuch trocken gerieben, das er aus dem Wäscheschrank seiner Mutter hatte mitgehen lassen. Der Ärger hatte zwei Wochen zuvor angefangen, bei einem improvisierten Eishockeyspiel auf einer Eisbahn im Freien. Ein Gegenspieler hatte Lucas absichtlich den Ellbogen ins Gesicht gerammt, seine Nase hatte geblutet, er war auf den Kontrahenten losgegangen – und hatte seine Attacke nicht früh genug wieder abgebrochen. Die Freunde des Kontrahenten hatten den Mann schließlich zu einer dentalen Notbehandlung ins nächste Krankenhaus gebracht.
    Dann hatte er bei einem regulären Ligaspiel gegen
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