Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
gearbeitet, was man Hostess nennt.« Brown’s war ein teures Hotel, in dem willige blonde junge Frauen in perlgrauen Kostümen die Gäste zu ihren Suiten brachten, während Pagen in rot-schwarzen Affenjäckchen das Gepäck schleppten und ansonsten nichts sahen, hörten oder sagten.
    Lucas ging neben der Leiche in die Hocke; eines seiner Knie knackte. »Wissen Sie schon, was die Todesursache ist?«, fragte er den Arzt.
    Der Arzt war schon älter, etwa so alt wie Swanson, und er hatte die gleichen müden Hundeaugen. In seiner Hemdtasche steckte eine Packung Marlboro, und auf dem Teppich hinter ihm stand eine geöffnete schwarze Arzttasche. »Sie hat eine Schädelverletzung«, antwortete er. »Das ist die einzige äußere Verletzung, die zu erkennen ist, aber sie kann durchaus tödlich gewesen sein. Da ist ein Riss im Schädel, sieht irgendwie v-förmig aus. Stammt wahrscheinlich von einem scharfkantigen Gegenstand, einer Holzlatte, vielleicht auch vom Ende eines Stocks – einem Spazierstock. Kein Rohr, kein runder Gegenstand.«
    »Ein Stock? Hatte einer der Leute einen Gehstock?«, fragte Lucas und sah Swanson an. Der zuckte die Schultern.
    »Es könnte sich aber auch um einen Türgriff oder so was gehandelt haben«, fuhr der Arzt fort. »Hier …« Er hob den Kopf der Toten an, drehte ihn, sehr sanft, und man konnte vermuten, dass er selbst eine Tochter in diesem Alter hatte. Ein kleiner Riss war am Hinterkopf der Frau zu sehen, dicht unterhalb der Schädelmitte; geronnenes Blut ließ die Ausdehnung der Verletzung erkennen.
    »Wir nehmen an, dass sie in den Mord an Maison reingeplatzt ist, durch puren Zufall, und dass der Mörder sie sich dann gegriffen hat«, sagte Swanson. »Hat sich irgendeinen Gegenstand geschnappt und ihr damit auf den Schädel geschlagen. Vielleicht hat er ihren Kopf auch einfach an die Wand gehämmert.«
    »Warum sollte er die Leiche dann in den Wandschrank gestopft haben?«, widersprach Lucas, aber der Arzt unterbrach: »Sehen Sie sich das an.«
    »Was?«
    Der Arzt starrte aus nächster Nähe auf den Schädel der Frau, nahm dann ein Vergrößerungsglas aus der Tasche hinter sich. »Ich glaube, ehm, das da in ihrem Haar sieht nach abgeblättertem Holzlack aus …« Er sah zu Swanson hoch. »Sorgen Sie dafür, dass niemand die Türrahmen oder die Holzverschalung anfasst. Ihr Kopf könnte irgendwo da rangeschlagen sein. Oder rangeschlagen worden sein. Sie werden dann Blutspuren und vielleicht auch ein paar Haare finden.« Das war wichtig – es konnte den Unterschied zwischen Mord und Totschlag bedeuten oder sogar auf einen Unfall hinweisen.
    »Okay«, sagte Swanson. Er sah den Flur hinunter auf die vielen Türrahmen; es schienen Dutzende zu sein.
    Lucas kam auf seinen eben geäußerten Gedanken zurück: »Warum sollte es nicht so sein, dass diese Frau hier als Erste ermordet wurde und dann erst …«
    »Weil Maison erwürgt wurde, und sie hatte keinen Schlüpfer an, und das Aussehen ihrer Vulva und des Schamhaars lassen vermuten, dass sie kurz vor ihrem Tod noch Sex gehabt hat«, erklärte Swanson. »Wenn der Mörder zunächst Lansing umgebracht hätte, wäre es doch sehr unwahrscheinlich, dass er sozusagen eine Zwischenpause beim Morden einlegt, erst einmal Maison bumst und sie dann erwürgt.«
    »Okay.« Irgendwie machte das Sinn.
    »Auf ihrem Handgelenk steht was mit Kugelschreiber geschrieben, aber es ist verschmiert, also wahrscheinlich schon vor dem Mord aufgemalt worden«, sagte der Arzt. Er hob das Handgelenk der Toten, und Lucas starrte auf die verschmierte blaue Schrift.
    »Sieht aus wie … Ella? Fella? Della?«
    »Wahrscheinlich nicht Fella«, sagte Swanson. »Das macht doch keinen Sinn.«
    »Könnte ein Name sein«, meinte der Arzt.
    »Komischer Name«, knurrte Swanson.
    »Sehen Sie zu, dass Sie es deutlicher rausbringen«, sagte Lucas zu dem Arzt. »Lassen Sie Fotos machen und schicken Sie sie uns rüber zur Mordkommission.«
    »Okay.«
    Lucas richtete sich auf. »Schau’n wir uns jetzt mal die andere Leiche an.«
    Die Tür zum nächsten Gästezimmer lag zwei Meter den Flur hinunter, und Lucas und Swanson mussten über Lansings Leiche treten. Zwei Cops von der Spurensuche standen unter der Tür. »Video-Aufnahmen«, sagte einer von ihnen. »Gottverdammte Schande, was da zu sehen ist«, knurrte der andere.
    Im Zimmer hielt ein Spezialist vom Fotodienst des Departments eine Videokamera vors Auge und filmte den Tatort, während ein zweiter Cop mit einem Handscheinwerfer die Szene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher