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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind
Autoren: John Sandford
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Scheinwerfer; sein dichtes schwarzes Haar fiel ihm in die Stirn, die schmalen Brillengläser funkelten im grellen Lichtschein, und seine Stimme klirrte wie splitterndes Glas: »Alie’e, du frierst an der Markierung beinahe fest. Ich will aber, dass du in die Szene hineinplatzt! Ich will, dass du schneller wirst, wenn du an die Markierung kommst, nicht langsamer. Du wirst aber langsamer. Und ich will, dass du wütend aussiehst. Du siehst verärgert aus, du siehst gereizt aus …«
    »Ich bin verärgert – ich friere«, fauchte Alie’e. »Ich habe Gänsehautpickel so groß wie Orangen.«
    Plain wandte sich an einen der Assistenten: »Larry, schaff den Heizofen nach hinten. Du musst sie aufwärmen.«
    »Okay, ich werde ihr einheizen «, sagte Larry und legte die Hände auf die Hüftknochen, eine bewusst weibische Pose. Aber Larry war nicht schwul, er wollte nur ironisch wirken. »Wir kriegen das schon hin, das verdammte Einheizen, hmmm? Ganz klar. Wir werden das beschissene Einheizen doch wohl hinkriegen, nicht wahr?«
    »Das will ich hoffen. Ich friere wirklich arg.« Alie’e schlang die Arme um den Körper und zitterte demonstrativ – pure Effekthascherei. Ein ganz in Schwarz gekleideter Mann trat ins Scheinwerferlicht und entledigte sich seines Kaschmirmantels. Er war groß und schlank, und sein braunes Haar hing lose bis auf die Schultern. Ein großer runder Ohrring aus gehämmertem Silber zierte sein linkes Ohrläppchen, ein dunkler Soul-Patch die Haut unter der Unterlippe. »Nimm den, bis es wieder losgeht«, sagte er zu Alie’e. Sie schlüpfte in den Mantel. Plain drehte sich von den beiden weg und rollte die Augen zum Himmel. »Larry, schaff endlich den verdammten Heizofen ran.«
    Larry hob die Schultern und schob den Propangas-Heizofen weiter ins Innere des Kahnrumpfes. Wenn sie alle an einer Kohlenmonoxydvergiftung starben, war es nicht seine Schuld.
    Plain sah wieder hinüber zu Alie’e: »Jax, verschwinde und nimm deinen Mantel mit …«
    »Heh …«, knurrte der Mann in Schwarz, aber niemand beachtete ihn.
    Plain fuhr fort: »Alie’e, ich will, dass du stinkwütend aussiehst. Mach diese Sache mit den Lippen nicht. Du streckst die Lippen raus, so ungefähr …« Plain kräuselte die Lippen. »Du machst so was wie ein Schmollmündchen. Ich will das aber nicht. Mach es so …« Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, und Alie’e versuchte, sie nachzuahmen. Das war eines ihrer Talente: die Fähigkeit, Gesichtsausdrücke zu imitieren, so wie ein Tänzer Bewegungen imitieren kann.
    »Schon besser«, sagte Plain zu Alie’e. »Aber mach deinen Mund breiter, zieh die Mundwinkel nach unten und behalt das auch bei, wenn du dich bewegst. So, jetzt noch mal …« Sie tat es, einschließlich der gewünschten Veränderungen. »So ist’s gut, aber jetzt brauchst du frische Schminke.«
    Er trat zusammen mit Alie’e aus dem Lichtkegel, und die Gruppe der Mitarbeiter versammelte sich hinter ihnen – der Produktionsleiter, der künstlerische Berater, die Maskenbildnerin, die Frisörin, der Repräsentant der Modefirma und der Foto-Assistent, dazu Alie’es Eltern, Lynn und Lil. Plain ließ keine Stühle heranschaffen, und der verrostete Rumpf des Lastkahns lud nicht zum Sitzen auf dem Boden ein, jedenfalls nicht, wenn man für seine maßgeschneiderten Jeans vierhundertfünfzig Dollar ausgegeben hatte. Plain sagte zur Maskenbildnerin: »Richte ihren Mund.« Und zum Foto-Assistenten: »Jimmy, wo ist das verdammte Polaroid-Foto? Du hast es doch, oder?«
    Jimmy war dabei, mit einem Föhn ein Polaroid-Farbfoto im Format 15 x 18 zu trocknen. Es diente dazu, die Belichtung zu überprüfen. Er schaute auf das Foto, sagte dann: »Ist bald so weit.«
    Hinter ihm flüsterte der künstlerische Berater dem Produktionsleiter zu: »Plain sagt ein bisschen zu oft ›verdammt‹, nicht wahr?« Der Produktionsleiter murmelte zurück: »Das tun diese Typen alle.«
    Plain begutachtete das Polaroid-Foto, sah dann hoch zu einer Standkamera. »Rückt das Ding zur Seite. Einen halben Meter nach rechts, da drüben hin.« Jimmy erledigte das, und Plain schaute in die Runde. »Fertig? Alie’e, denk an die Markierung. Clark, alles klar?«
    Der Schweißer nickte: »Ja, es kann losgehen. Waren es eben genug Funken?«
    »Die Funken waren gut, bestens sogar«, bestätigte Plain. »Du bist der einzige verdammte Profi bei dieser Arbeit hier heute Morgen.« Er sah wieder Alie’e an. »Also, mach kein verdammtes Schmollmündchen – und platz in
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