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Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby

Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby

Titel: Mabel Clarence 03 - Schatten ueber Allerby
Autoren: Rebecca Michele
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1. Kapitel

    Die zierliche Uhr im Regency-Stil auf dem Kaminsims schlug halb drei, als sich Mabel Clarence den Hut aufsetzte und auf ihrem kurzen Haar zurechtrückte. Sie zupfte sich ein paar Ponyfransen in die Stirn, dann betrachtete sie sich im Spiegel. Das taubenblaue, zweiteilige Kostüm mit dem farblich passenden kleinen Hut harmonierte gut mit der zartrosa Bluse. Zufrieden nickte sie ihrem Spiegelbild zu.
    „Für den Anlass hoffentlich angemessen“, murmelte sie. In diesem Augenblick klopfte es an die Tür ihres ­Cottages. „Kommen Sie rein, die Tür ist offen“, rief Mabel und wandte sich um.
    Ein großer, breitschultriger Mann trat ein. Sein graues Haar, das sich am Oberkopf bereits lichtete, trug er im Nacken so lang, dass es ihm auf den Hemdkragen fiel. Er musste sich bücken, denn die Türen in dem über zweihundert Jahre alten Cottage waren sehr niedrig.
    Früher waren die Menschen eben kleiner gewesen, dachte Mabel, doch sie liebte das Haus. Außerdem stand es unter Denkmalschutz, sie hätte gar nichts verändern dürfen.
    Hinter dem Mann schoss ein Hund bellend auf Mabel zu, stellte sich auf die Hinterpfoten und versuchte, ihr Gesicht abzulecken.
    „Langsam, Debbie, heute nicht.“ Mabel kraulte die Mischlingshündin zwischen den Ohren und schob sie sanft von sich. „Du darfst mein Kostüm nicht schmutzig machen.“
    „Du meine Güte, was haben Sie denn vor?“ Der Mann musterte Mabel erstaunt. „Ich wusste gar nicht, dass Sie so ein ... Ding besitzen.“
    Mabel erwiderte seinen skeptischen Blick mit einem Augenzwinkern und griff sich an den Kopf.
    „Wenn Sie mit Ding den Hut meinen, Victor, dann sehen Sie mal, wie Sie mich bisher verkannt haben. Jede Frau hat manchmal Freude daran, sich schick zu machen, besonders wenn es einen Anlass dafür gibt.“
    „Na ja, steht Ihnen jedenfalls gut.“ Er zwinkerte ihr zu und sah sich dann in Mabels kleinem, gemütlichem Wohnzimmer mit der niedrigen Balkendecke und den weiß­getünchten Wänden suchend um. Enttäuschung schwang in seiner Stimme mit, als er fragte: „Dann darf ich wohl nicht auf eine Einladung zum Tee hoffen?“
    „Tut mir leid, Victor, aber ich bin verabredet.“
    Mabel Clarence bedauerte es wirklich, heute keine Zeit für einen Tee und einen gemütlichen Plausch mit Victor Daniels zu haben. Der Tierarzt des kleinen Ortes Lower Barton, in dem sie nun schon seit einem ­knappen Jahr lebte, war ihr ein guter Freund geworden, mit dem zusammen sie schon einige Abenteuer erlebt hatte. Wochentags führte Mabel ihm den Haushalt, denn Victor war ein alter Hagestolz, der nur schwer mit weiblichen Wesen auskam. Im Umgang mit Tieren war er ein ­Perfektionist und liebte alles, was vier, sechs oder auch acht Beine hatte, eine Frau gab es jedoch keine in seinem Leben. Victor war nie ver­heiratet gewesen, und alles, was mit Kochen, Backen, ­Wäschewaschen und überhaupt mit dem Haushalt zu tun hatte, war ihm ein Graus. Bevor Mabel in sein Haus ­gekommen war, hatte er durch seine harsche, oft ­ablehnende Art schon mehrere Haushälterinnen vergrault, doch Mabel arbeitete gern bei ihm. Inzwischen wusste sie, dass sich unter seiner rauen Schale ein weicher Kern verbarg, außerdem waren sie und Victor sich in ­vielen Dingen sehr ähnlich.
    Heute, an einem Sonntag, war Mabels freier Tag. ­Victor aß dann immer im einzigen Hotel des Ortes, dem Three Feathers, das eine ausgezeichnete Küche hatte, zu ­Mittag. Danach ging er mit seiner Hündin Debbie ­spazieren, ­stattete Mabel dabei häufig einen Besuch ab, und sie ­tranken zusammen Tee. Victor wusste genau, dass Mabel am Sonntagvormittag immer entweder süße Scones, einen Victoria Sponge Cake oder auch kleine Apple Pies buk, und für diese köstlichen Backwaren war der Tierarzt zu fast jeder Sünde bereit.
    „Na los, fragen Sie schon!“, forderte Mabel Victor auf, der abwartend in der Tür stehen geblieben war.
    „Fragen? Was?“
    „Was ich vorhabe und warum ich Kostüm und Hut trage. Die Frage brennt Ihnen unter den Nägeln, das sehe ich Ihnen an, Victor.“
    „Es geht mich doch nichts an, was Sie am Sonntag machen, Mabel“, gab er in seiner gewohnt brummigen Art zurück. „Solange Sie rechtzeitig ins Bett kommen und ­morgen früh pünktlich mein Frühstück auf dem Tisch steht.“
    Manch andere Frau wäre jetzt nicht nur beleidigt gewesen, sondern vielleicht sogar zornig geworden, aber Mabel entlockten Victors Worte nur ein lautes Lachen.
    „Trotzdem sind Sie neugierig zu erfahren,
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