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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire
Autoren: Raymond Giles
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Wolfs zu haben; sie mochte glauben, daß sie zeitweise wirklich zum Wolf wurde; heute nacht hatte sie eine Katze getötet, eine armselige kleine Katze, die sie schon immer gehaßt hatte. Aber deshalb war sie noch lange keine Mörderin. Nein, die heutige Nacht war kein Beweis dafür, daß sie imstande war, einen Mord zu begehen. Energisch schob er diese Vorstellung von sich.
    Schließlich erinnerte er sich nur zu gut an das junge Ding, das er geheiratet hatte. Ganz deutlich sah er das einsame, kleine Mädchen von Sanscoeur vor sich, wo er mit seinen Eltern oft zu Besuch gewesen war. Alle hatten die Kleine wegen ihrer merkwürdigen Augen, der großen Ohren und der ungewöhnlichen Finger geneckt und verabscheut. Ihm aber war sie immer schön erschienen, selbst damals.
    O  Gott, wie gerne würde ich Sanscoeurville wiedersehen!  dachte er.
    Der Wunsch überraschte ihn. Bisher hatte er nie daran gedacht, seine Vaterstadt zu besuchen. Er hatte keinerlei Verwandte dort und war überzeugt, daß auch seine früheren Freunde längst nicht mehr dort lebten. Er hatte wirklich keinen Grund, nach Sanscoeurville zu fahren. Im Gegenteil. Viele Gründe, die er lieber verdrängte, sprachen ganz entschieden gegen eine Rückkehr.
    Trotzdem. . .
    Er knipste das Licht in der Küche aus und ging ins Schlafzimmer. Durch das Fenster schien der Mond. Duffy blickte hinaus.
    Warum sollte er  nicht  nach Sanscoeur fahren?
    Er überlegte. Genaugenommen hatte er seine Urlaubspläne zurückgestellt, weil er Roxannes Behandlung nicht unterbrechen wollte. Aber war ein solcher Besuch nicht vielleicht die beste Kur für sie? Sie sollte zum Schauplatz ihres Traumas zurückkehren. Wenn sie erkannte, daß ihre Kindheitserlebnisse überwunden waren und nichts mehr bedeuteten, wurde sie vielleicht gesund. Er beschloß, mit ihren Ärzten darüber zu sprechen.
    Übrigens mochte dieser Besuch vielleicht auch ihm guttun. Damit er sich klarmachte, daß gewisse Ereignisse überwunden waren, die dreizehn Jahre zurücklagen. Im Grunde war es lächerlich, daß ein erwachsener Mann vor dem Gedanken zurückschreckte, seine Vaterstadt zu besuchen. Die Konfrontation mit Sanscoeurville war vielleicht nur vernünftig . . .
    Gedankenverloren starrte er in die Nacht.
    Am Mond huschte eine Fledermaus vorbei.

3
    Anfangs wehrte sie sich gegen den Vorschlag, ohne sich selbst ihre aufflammende Angst einzugestehen. Diese Angst glich einer schlummernden Schlange, die langsam den Kopf hob und züngelte.
    »Aber was haben wir in Sanscoeurville verloren, Duff? Da gibt es doch reizvollere Urlaubsziele.«
    »Du solltest dir das Milieu mit nüchternen Augen ansehen, Roxanne. Es hat für dich die Dimensionen eines Schauermärchens angenommen, das wir zerpflücken müssen.«
    Sie haßte seinen Berufsjargon. Schon wollte sie ihm sagen, daß er damit nur seine eigene Furcht zu zerstreuen versuchte. Aber wovor fürchtete er sich eigentlich?
    Endlich willigte sie ein. Von da ab freute sie sich auf die Reise. Dieser Urlaub sollte die Rettung werden. Duffy hätte einige Wochen Urlaub von seinen Patienten, und sie würde ihre Wahnvorstellungen abschütteln. Die Folge war, daß er sie wieder genauso lieben würde wie früher. Sie würden die bösen Jahre einfach vergessen wie einen langen Alptraum, der sich in ihre ungebrochenen Flitterwochen gedrängt hatte.
    In bester Stimmung trat sie die Reise an. Duffy hatte einen Stationswagen Marke Ford gemietet, den sie mit allem beladen hatten, was sie brauchen würden. Selbst der dichte Nebel, der sie zwang, im Schrittempo zu fahren, konnte ihr die Laune nicht verderben.
    »Wir werden sehr spät ankommen«, warnte er.
    »Und wenn schon! Wir haben es nicht eilig!«
    »Aber der Nebel ist gefährlich. Man sieht kaum etwas.«
    »Wir werden vorsichtig fahren. Mir gefällt dieses silbrige Grau. Wir wollen uns die Fahrt nicht verderben lassen.«
    Als sie endlich in Sanscoeurville einfuhren, war der silbrige Nebel schwarz geworden.
    Duffy saß am Steuer. Seine verkrampfte Haltung verriet Müdigkeit. Mit tränenden Augen starrte Roxanne ins harte Licht der Scheinwerfer und in den sanfteren Schimmer der Straßenlampen. Ein Hund lief ihnen vor den Wagen. Sie hielt den Atem an.
    Sie näherten sich dem kleinen Park von Süden. Hinter dem Kreisverkehr bog Duffy in die westlich liegende Hauptstraße ein.
    Die meisten Läden waren bereits geschlossen. Nur vereinzelte spärliche Lichter blinzelten aus Fenstern und Hinterzimmern.
    »Wir sind da«, flüsterte
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