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Nacht der Vampire

Nacht der Vampire

Titel: Nacht der Vampire
Autoren: Raymond Giles
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näherte.
    Die Katze zischte, hieb mit der Pfote durch die Luft, sprang von einer Seite zur anderen und wagte doch nicht, sich umzudrehen und fortzulaufen.
    Verdammtes Vieh!
    Sie ging in die Hocke. Ihre Muskeln spannten sich wie Stahlfedern. Die Zehen suchten Halt auf dem nackten Boden. Sie berührte den Boden kaum mit den Fingerspitzen.
    Verdammtes Vieh!
    Die Katze fauchte ein letztes Mal, dann wollte sie kehrtmachen und flüchten.
    Im selben Moment schnellte Roxanne vor.
    Duffy Johnson fuhr entsetzt aus dem Schlaf auf. Sein Herz hämmerte wie ein überlasteter Motor. In seiner Kehle saß ein erstickter Schrei. Mit angehaltenem Atem sah er wild um sich. Dann wußte er wieder, wo er war. Er wollte sich an den Traum erinnern, aber es gelang ihm nicht. Die Klammer um seine Kehle lockerte sich, und er seufzte schluchzend auf. Das schlimmste an Alpträumen — und offenbar litt er in letzter Zeit häufig unter Alpträumen — war der emotionelle Rückstand, der sich in den Wachzustand hinüberrettete.
    Dann hörte er das Weinen in der Dunkelheit. Erschrocken fragte er sich, ob denn sein Alptraum noch nicht zu Ende sei. Er lag stocksteif. In der Ferne wiederholte sich das Weinen. Es klang völlig verzweifelt.
    »Roxanne!«
    Jetzt erst bemerkte er, daß er im Schlafzimmer allein war. Sein Herz schlug noch immer wie verrückt. Er stand auf.
    »Roxanne!«
    Schluchzen war die einzige Antwort. Er ging dem Laut nach, der aus dem Flur kam. An der Schwelle zauderte er. Er mußte sich zum Weitergehen überwinden. Dann machte er Licht.
    Er blickte hinab auf seine Frau, auf das Blut und den Greuel.
    Zehn Sekunden verstrichen, bis er sich wieder in der Gewalt hatte. Er war Arzt und reagierte als solcher. Private Gefühle zählten nicht. Dafür blieb später Zeit. Selbst sein Herzschlag wurde regelmäßiger.
    Er wandte sich um und ging kühl in sein Arbeitszimmer. Mit sicheren Bewegungen griff er nach der Injektionsnadel, den Ampullen, nach Wundbenzin und Watte. Nach wenigen Sekunden kehrte er zu Roxanne zurück.
    Sie lag auf dem Rücken. Er reinigte ihre Armbeuge, band den Arm ab, damit die Vene hervortrat, und gab ihr eine Spritze. Dann wiederholte er den Vorgang am anderen Arm.
    »Verzeih mir!« schluchzte sie. »Ich konnte nicht anders, ich konnte nicht anders!«
    Er war nicht sicher, ob ihm seine Stimme gehorchen würde. Deshalb schwieg er. Im Augenblick war er nur Arzt. Er schob ihr einen Arm unter die Schultern und half ihr auf die Beine.
    »Ich habe mich verwandelt«, stammelte sie schluchzend. »In einen — in einen —«
    »Unsinn«, sagte er rasch.
    »Aber, Duffy —«
    »Kein Mensch kann sich in ein Tier verwandeln! Das hat es nie gegeben und wird es auch niemals geben!«
    Er begleitete sie ins Bad. Dort befahl er ihr, den Mund mit einem starken Desinfektionsmittel auszuspülen. Sofort begann sie zu erbrechen und tat es auch noch, als er ihr das Blut von Gesicht und Körper entfernte.
    Nachdem er sie gewaschen hatte, begann das Schlafmittel zu wirken. Und auch der Whisky, den er erst zu spät in ihrem Atem gerochen hatte. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er führte sie ins dunkle Schlafzimmer und brachte sie zu Bett.
    »Du haßt mich«, murmelte sie.
    »Nein, Liebling«, antwortete er automatisch. »Ich liebe dich.«
    »Du darfst niemals aufhören, mich zu lieben«, bat sie flehend. Dann schlief sie ein.
    Seine Arbeit war noch nicht beendet. Als nächstes mußte er den Flur und das Badezimmer reinigen. Wenn Roxanne am Morgen erwachte, durfte sie keinerlei Spuren mehr vorfinden. Trotz jahrelanger Spitalspraxis revoltierte sein Magen, als er die Überreste der Katze aufschaufelte und in eine Papiertüte stopfte.
    Sein Pyjama war blutbefleckt. Er zog ihn aus und duschte rasch und gründlich. Dann holte er sich einen Morgenrock aus dem Schlafzimmer und trug den Pyjama und die Papiertüte zum Müllschlucker.
    Jetzt erst durfte er sich Ruhe gönnen. Er ging in die Küche und goß sich aus der fast leeren Whiskyflasche ein. Langsam ließ er den Whisky durch seine Kehle rinnen. Er lehnte sich an den Ausguß. Mit jedem Tag rückte der Zeitpunkt näher, der für Roxanne die Einweisung in eine geschlossene Anstalt bringen mußte. Sie war geisteskrank und gefährlich.
    Heute nacht hatte sie bewiesen, daß sie durchaus imstande war zu töten.
    O Gott,  dachte er,  vielleicht hat sie vor Jahren tatsächlich dieses Kind umgebracht.
    Aber sofort verwarf er den Gedanken. Sie mochte sich einbilden, die Instinkte eines
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