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Nacht des Schicksals

Nacht des Schicksals

Titel: Nacht des Schicksals
Autoren: Grace Green
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1. KAPITEL
    “Mom, ich möchte allein hineingehen.” Megan Westmores dunkle Augen funkelten zornig. “Ich werde im nächsten Monat acht. Ich bin doch kein Baby mehr!”
    “Aber die Lakeview-Grundschule ist neu für dich, und das Schuljahr hat schon vor vier Tagen angefangen …”
    “Ich werde mich schon nicht verlaufen!” Megan stieß die Tür des weißen Autos auf und sprang hinaus. “Wir haben am Freitag mit meiner Klassenlehrerin gesprochen. Ich weiß, wo ich hinmuss. Okay?”
    Kendra Westmore sah ihre Tochter an und fragte sich, wie so oft, ob sie wirklich die Mutter dieses Kindes sein konnte. Oh ja, sie sahen sich sehr ähnlich. Sie hatten das gleiche weizenblonde Haar, die gleichen haselnussbraunen Augen und waren beide zierlich, aber ihre Persönlichkeiten hätten kaum unterschiedlicher sein können. Megan war selbstbewusst und furchtlos, während sie, Kendra …
    “Bye, Mom!” Megan setzte ihren Rucksack auf. “Bis um halb vier.” Sie schlug die Wagentür zu und lief auf den Schulhof, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Kendra seufzte. Sie wusste, dass sie ihre Tochter zu sehr behütete, aber sie konnte es sich einfach nicht abgewöhnen. Megan war das Einzige, was sie auf dieser Welt besaß. Sie wusste nicht, was sie tun würde, wenn der Kleinen jemals etwas zustoßen sollte.
    Das Schrillen der Schulglocke ließ Kendra zusammenzucken. Zögernd legte sie den Gang ein, doch als sie anfahren wollte, scherte ein roter Pick-up vor ihr ein und blieb mit quietschenden Reifen knapp vor dem Bordstein stehen.
    Kendra musste hart auf die Bremse treten, um nicht auf ihn aufzufahren. Sie atmete ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen, während der Fahrer seinen Passagier aussteigen ließ.
    Ein Kind sprang aus dem Fahrerhaus des Pick-ups, ein kleines Mädchen, das etwa in Megans Alter war. Doch die Kleine war kräftiger gebaut, und ihr Gesicht wurde von schwarzen Locken umrahmt. Schnell lief sie davon. “Bye, Dad! Danke fürs Herbringen! Bis dann!”, rief sie über die Schulter zurück.
    Der Mann drückte zum Abschied auf die Hupe, dann fuhr er an, aber kurz darauf leuchteten seine Bremslichter erneut auf.
    Auch Kendra hatte schon Gas gegeben, doch nun musste sie erneut heftig bremsen. Wütend sah sie zu, wie der Fahrer aus dem Wagen sprang.
    “He, Jodi!”, rief er dem Kind nach. “Ist heute nicht Hotdog-Tag?”
    “Oh ja!” Das Mädchen fuhr herum und rannte zu ihm zurück. Kendra trommelte ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad und sah zu, wie er sein Portemonnaie herausnahm und dem Kind einen Geldschein reichte. Dann rannte die Kleine wieder davon und war Augenblicke später im Schulgebäude verschwunden.
    Ihr Vater ging langsam zu seinem Auto zurück. Kendra musterte ihn missmutig. Er war groß, hatte welliges schwarzes Haar, war tief gebräunt und sehr attraktiv. In den eng sitzenden Jeans und dem schwarzen T-Shirt, unter dem sich seine kräftigen Muskeln abzeichneten, sah er sogar richtig sexy aus.
    Auch er sah jetzt zu ihr herüber, und als sich ihre Blicke trafen, lächelte er ihr freundlich zu. “Kinder!”, rief er mit einem Augenzwinkern, während er das Portemonnaie wieder in die Gesäßtasche schob. “Man muss …”
    Er verstummte mitten im Satz und sah sie ungläubig an. Er hatte sie im selben Moment erkannt wie sie ihn.
    Sie konnte nicht anders, als ihn starr anzublicken. Die Luft zwischen ihnen schien zu vibrieren, so wie es immer gewesen war, wenn sie ihn in der Vergangenheit angesehen hatte. So war es ihr mit keinem anderen Menschen jemals ergangen, mit keinem anderen Mann.
    Allerdings war er damals noch kein Mann gewesen, sondern ein Teenager. Er war rau und wild gewesen und aus dem falschen Milieu gekommen. “Der Bursche ist nichts für dich, Kleines!” Es hätte der ständigen Warnungen ihres Großvaters nicht bedurft. Sie war sich bewusst gewesen, dass sie allzu verschieden waren.
    Was er jetzt wohl denken mochte? Sein Lächeln war nicht mehr freundlich, sondern spöttisch und herausfordernd. Er schien sich daran zu erinnern, wie herablassend sie ihn stets behandelt hatte.
    “Na so was!” Mit dem lässigen Gang, der schon damals sein Markenzeichen gewesen war, kam er auf sie zu. Er stützte eine Hand auf das Dach des Autos und beugte sich vor dem offenen Wagenfenster zu ihr nieder. “Wenn das nicht die hochnäsige Westmore-Göre ist. Bist du gekommen, um das Erbe anzutreten?”
    “Na so was”, versuchte Kendra ihn zu imitieren. “Wenn das nicht der nichtsnutzige
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