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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin
Autoren: Jonathan Saunders
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würdest erfrieren. Und gestern wolltest du dich von dem Felsen stürzen, als sich der Himmel zu bedecken begann. Es schien mir zuerst, als hättest du den Nebel gerufen, Merlin. Doch dem war nicht so. Ich habe dich zurückdrängen müssen. Du hast dich gewehrt und hattest wohl viele Visionen.“
    „Kannst du dich noch an etwas erinnern, was ich sagte?“
    „Du hast irgend etwas beschworen. Was es war, kann ich dir aber nicht sagen. Wenn du phantasierst, vermag ich nur selten deine Sprache zu verstehen.“
    „Wieder nichts, Hörn …?“
    „Ich befürchte nicht, Merlin. Jedenfalls nichts von Bedeutung. Im Traum hast du von Vivien und Omphalos klar gesprochen. Du bist die Tode der um dich rankenden Legenden verächtlich wieder und wieder gestorben und hast von der Anderswelt erzählt. Guivienen werde kommen, sagtest du. Es war sehr viel Wirres und du warst erregter als sonst, wenn sich dein Zustand auch schneller besserte. Du hast noch etwas von Pembrokshire gesagt und Unverständliches von Kaledonien geredet.“
    Merlin war in sich gesunken und hörte Hörn aufmerksam zu. Er konnte sich an nichts erinnern. Sein Leben kehrte mit jedem Atemzug in seinen Körper zurück, so daß er nach einer Weile wackelig aufstand, Hörn über das Fell seiner vereisten Wange strich und sagte, daß er Licht anzünden, die Decke wieder in den Eingang hängen, für Ordnung sorgen und sich etwas zu essen machen wolle. Und all das geschah.
    Merlin entfachte die Alkohollichter an den Wänden, sah die zerschlagenen Gefäße, die aus den Regalen auf den Boden gefallen waren, fegte die Scherben mit einem Reisigbesen zusammen, hängte die Decke wieder in den Eingang und holte sich aus den Vorratsräumen einige Früchte, die er in einem Sanddornbrei erhitzte. Aus mehreren Kräutern mischte er sich einen Aufguß zusammen, füllte ihn in einen Tonbecher und übergoß die Kräuter mit heißem Wasser. Die Hände hielt er wärmend um den heißen Becher, nachdem er seinen Brei gelöffelt hatte. Dampf züngelte in die schneidend kalte Luft. Merlin holte sich Honig für seinen Kräuteraufguß, setzte sich dann zu Hörn, der vor der Höhle eingedöst war, und legte ihm einen Arm um den Hals.
    Der arktische Tag brach an – ein dämmeriges, graues Licht am südlichen Horizont, weit hinter den Bergen. Die bedrohliche Bewölkung trug Schnee. Der Tagesschimmer würde in wenigen Augenblicken wieder zur Finsternis werden und die Eisflächen des Westens verschwammen mit dem Himmel in trüber Sicht. Um sie strich die Stille, als erste, kleine Schneeflocken fielen, zaghaft tanzend den Felsen umspielten, das Umland erkundeten, ob sie willkommen seien und bleiben dürften. Und sie blieben. Windstill legte sich ein graues Tuch über die schroffen Felsen und dämpfte die eisigen Geräusche des Polarkreises. Sie waren beide eingeschlafen … und als sie aufwachten, waren sie von weichem Schneepulver bedeckt. Selbst das Schilfdach hatte eine weiße Kappe und Hörn kam sofort auf die Beine, streckte die steifen Glieder, schüttelte den Kopf und nickte Merlin verschlafen zu, der die Flocken von der Decke und aus den Kleidern schlug. Sein Becher war ihm aus den Händen geglitten. Er selbst stand wie erneuert im Schnee auf der Felsplatte, strahlte zufrieden und meinte gähnend, daß es sicherlich ein guter Tag für einen Ausritt sei.
    „Wir werden nach Vannareid gehen, Hörn. Mir ist heute danach. Laß uns den Tag, die ruhige Luft und den knirschenden Schnee genießen. Was meinst du? Wir beide können Bewegung gebrauchen. Meine Gelenke rumoren und schmerzen. Also … was wäre da besser als ein Ausritt? Und vorher werden wir noch ein gutes Mahl einnehmen. Vielleicht mit Trockenbrot, Honig und Äpfeln“, lockte er freundlich, kannte er doch Hörns Schwächen für Trockenbrot und Äpfel.
    Also waren sich die beiden einig. Hörn wußte, daß Merlin ihn mit der Mahlzeit bestechen wollte, verbarg aber seine Einsicht gutmütig.
    Merlin besorgte das Essen, löschte das Licht und sie stärkten sich gemeinsam. Für sich selbst hatte er noch eine Flasche Kirschwein geöffnet, die ihn redselig und ausgelassen machte. Etwas angetrunken spaßte er mit Hörn, vergaß das Nordland, verdrängte die Pein, zog sich dann seinen dicksten Mantel an und stülpte sich Fellhandschuhe über die Hände, um auf dem Rücken Hörns nach Vannareid zu reiten. Weshalb das geschehen sollte, hätte Hörn nicht erklären können. In Vannareid lebten Menschen. Und Menschen gingen sie seit vielen
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