Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Autoren: Matthias Falke
Vom Netzwerk:
Techniker, die sich über ihre HoloBoards gebeugt hatten und sich über irgendwelche Berechnungen austauschten. Das waren die einzigen Gäste. Hinter dem Tresen standen die Ordonnanzen beisammen und plauderten halblaut, obwohl das eigentlich verboten war. Die Bar, die Tische und die Pflanzeninseln waren gedämpft erleuchtet. Leise Musik tönte aus unsichtbaren Lautsprechern. Und über allem wölbte sich die Kuppel aus durchsichtigem Elastalglas, dessen Polarisation vollständig aufgehoben war, sodass man den menschenleeren Kosmos sah. Die Kleine brachte meinen Scotch, ich prostete Laertes wortlos zu und nippte den ersten Schluck. Dann sah ich wieder zu der Kuppel hinauf und ließ den Anblick auf mich wirken.
    »Die Einsamkeit des Menschenherzens vor dem Weltenall«, sagte Laertes.
    Ich lächelte schmerzlich. Wir sahen die östlichen Ausläufer der Großen Mauer. Tausende von Galaxien, die eine opaleszierende Superstruktur bildeten. Und jeden Tag katalogisierten die Instrumente der MARQUIS DE LAPLACE Dutzende an neuen Milchstraßen und Nebeln.
    »Gewaltig, nicht wahr?!«, schmunzelte der alte Chefideologe und strich sich den weißen Bart.
    »Ja«, sagte ich. »Wir haben es weit gebracht.«
    Der ätzende Sarkasmus in meiner Stimme berührte mich unangenehm.
    »Mhm«, machte Laertes. »Man weiß nicht, ob man Stolz oder Angst empfinden soll.«
    Wir schwiegen wieder und lauschten dem Saxophonsolo. Die Ordonnanz erneuerte das Seidengebäck und schenkte Laertes Tee nach. In ihren wachen Augen glitzerte feiner Spott über uns alte Männer, die sich einmal die Woche hier trafen, um gemeinsam der melancholischen Grübelei zu obliegen. Ich wartete, bis sie an die Bar zurückgekehrt war, leerte dann mein Glas und winkte sie wieder heran, um ihr den Auftrag für einen weiteren Whisky zu erteilen. Der Slalom ihrer Hüften durch die nach Schachbrettmuster gegeneinander versetzten Tische bot einen Anblick, bei dem es einem schwer ums Herz werden konnte. Als sie den Drink mit ironischem Lächeln vor mir platziert hatte, wandte ich mich ab und widmete mich wieder dem Sternenraum über unseren sterblichen Häuptern.
    »Ist das nun großartig oder furchteinflößend«, sagte ich eher in feststellendem als fragendem Ton.
    Laertes wiegte den weißen Kopf in den Händen. Er widmete sich eine Weile dem hauchfeinen Tässchen aus sinesischem Porzellan und dem hellgrün schimmernden Jadetee, der duftend darin schwebte. Als er antwortete, hatte er meine Bemerkung nur scheinbar vergessen und das Thema gewechselt.
    »Der erste Flug der MARQUIS DE LAPLACE«, sagte er, »erweiterte den Radius menschlicher Unternehmungen schlagartig um ein Vielfaches. Zum Sirius!« Er warf die Arme zu einer Geste gespielter Begeisterung in die Höhe. Dann wurde er wieder ernst und musterte eingehend den transgalaktischen Raum, der über unseren Köpfen schäumte. »Und nun haben wir auch diese Fahrt wieder um das Tausendfache hinter uns gelassen. Wir sind in der Situation von Männern, die ihre glühendsten Träume nicht nur erfüllt, sondern so sehr übertroffen haben, dass ihnen schwindlig wird.«
    »Wir sind nicht aus freien Stücken hier«, erinnerte ich. »Die Landschaften des Exils sieht man mit anderen Augen.«
    Er wischte das mit einer energischen Handbewegung vom Tisch. »Papperlapapp. Warum wir hier sind, ist völlig gleichgültig. Genug: Wir sind hier!« Wieder hob er die Arme, aber diesmal war es keine Parodie auf eine Erweckungspredigt. Seine Emphase war echt.
    »Die Große Mauer«, sprach er zu der stilltönenden Kuppel hinauf. »Wir sehen sie mit unseren eigenen Augen.« Dann blickte er mich lauernd an. »Und vielleicht ist auch sie nur ein vorläufiger Horizont, ein Vorgebirge, hinter dem sich noch gewaltigere Strukturen, noch unfassbarere Räume verbergen.«
    Ich sah mich genötigt, ihn auf den Boden zurückzuholen.
    »Ihre Erstreckung wird sich in den Dimensionen des Bekannten Kosmos nicht mehr wesentlich übertrumpfen lassen.«
    Aber auch das fegte er mit einer herrischen Geste beiseite.
    »So ein Quatsch«, stieß er hervor. »Wir haben in den letzten Monaten so viel über Bord werfen müssen – ich glaube nicht mehr an Konstanten, und gesicherte Erkenntnisse finde ich lächerlich!«
    Er schlürfte vergnügt an seinem Tee und nahm dabei funkelnden Blickkontakt mit der Ordonnanz auf. Sie stand neben uns, ehe er noch das Tässchen abgesetzt hatte.
    »Sirs?«
    Laertes bat sie, die Lichter im Raum zu dimmen. Einen Augenblick später saßen wir in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher